15.11.01

Vom freiwestlichen Wirtschaften: Hüh, Hüh Hott - Wechsel reit' Galopp!

Nicht das kapitalistische Kreditsystem, von Übel ist, was man mit Krediten anstellt. 10 Zinssenkungen in einem Jahr und eine nahezu unüberschaubare Geldvermehrung haben wirtschaftspolitisch nichts gebracht. Sie ließen nur wertlose Papiere etwas wertvoller erscheinen, weil der Geldregen in Papier angelegt wurde. Der Grundsatz: "Kredite nur für produktive Investitionen und nicht für den Verbrauch!", kam aus der Mode, als man mit Teilzahlungsangeboten das Konsumentenbewußtsein "bildete". Seither spart kaum noch ein Privatmann aufs Auto, allenfalls auf die Anzahlungssumme, und selbst die ist meistens gepumpt. Auch der Begriff "produktive Investition" wurde auf den Kopf gestellt, als Banken "Produkte" zum Kauf anboten und darunter Wertpapiere verstanden, die sie besonders gebündelt und mit Zinsversprechen versehen hatten. Die "Anleger" erwarben nicht mehr Anteile an Produktionsvermögen sondern virtuelle Anteile an Schulden, die sie als Guthaben werten durften. So wurde Schuldenmachen schrankenlos, und Sie wundern sich, daß man wenn der Zahltermin naht, die Messer wetzt?
 

Mit dem Kauf von Wertpapieren auf Kredit wurde - zunächst zaghaft, dann mit jeder "Finanzinnovation" Ihrer Bank immer rasender - eine alles aufsaugende, immer frecher und hinterhältiger betriebene Wechselreiterei angetrieben. Schließlich saugte sie das gesamte wirtschaftliche, finanzpolitische und dann sogar auch noch das politische Denken und Sinnen auf. Initiativen, Innovationen und "Produkte" dienten nur noch dem Zweck: wie läßt sich die Wechselreiterei eine Runde fortsetzen, ihr Platzen noch einmal hinausschieben? Einmal ist Zahltag, glücklich nur, wer zuvor noch ein paar Tage gewinnt.

Manager denken nicht mehr an Investitionen in produktive Anlagen. 1. werfen sie weit geringere Renditen ab, als sich auf Wertpapiermärkten realisieren läßt, 2. wurden wegen der rasanten Wirtschaftsentwicklung die Zeiträume zwischen erstem Spatenstich und erstem möglichen Gewinn viel zulange, um vernünftig planen zu können, da sich zwischenzeitlich alle Kenngrößen, wie Wechselkurse, Zinsen und Preise geändert haben. 3. kauften Leute mit viel Geld kaum noch Greifbares, ihnen steht der Sinn nach Höherem, nach Finanzschnäppchen.

Die Wechselreiterei war nicht systemnotwendig, sie war eine bewußte politische Entscheidung, als man glaubte es sei freiheitlicher die Welt durch Aufkauf statt durch Waffengewalt zu übernehmen. Daß über Werterhaltung von "Kredit" letztlich Waffen entscheiden, hatten billige Politiker entweder nicht bedacht oder bewußt verschleiert, als sie ringsum in der Welt Militärstützpunkte anlegten. Wenn Raub anständig erscheinen soll, muß er legitimiert werden. Einmal entfacht hält die Wechselreiterei "in ihrem Lauf, weder Ochs noch Esel auf". Diese können sich für immer billigere Löhne abrackern, sie werden immer noch zu teuer sein und eingespart, wenn der Zahltag naht. Will man Preise erhöhen (um übergebührliche Wertpapierkosten zu decken) muß man das Angebot drosseln. Leert das freiheitliche Dogma. Ochs und Esel einzusparen, ist noch dazu umweltschonend.

Wer zweifelt, daß das plumpe, aber mit bunten Bändchen behängte Wechselreiterei ist, schaue sich das exponentielle Ansteigen der Staatsverschuldung über die Jahre hinweg an. Der erste Finanzminister Schäffer ("Produzieren muß sich lohnen, nicht das Verwalten") hatte in den schlechten Zeiten nicht nur Städte und Infrastruktur wiederaufgebaut, Millionen ausgemergelter Flüchtlinge und kaum noch arbeitsfähige Kriegsgefangener versorgt und wieder in Arbeit und Brot gebracht, er hatte aus den infolge der Aufbauleistungen reichlicher sprudelnder Steuereinnahmen noch einen Juliusturm von 8 Milliarden DM (nach heutigem Wert 120 Milliarden) angespart, um die Konjunktur nicht zu überheizen. Ihn jagte man schon 1957 davon, weil unproduktive Politiker, Steigbügelhalter und Verwaltungsleute (später kamen Politnebelwerferparteien dazu) sich endlich aus dem gefüllten Trog nach selbsteingeschätzter Gebühr bedienen wollten. Als Schäffers Geld verpraßt war, setzte der dicke Ehrhard die Wechselreiterei ungebremst unter dem Beifall der vereinigten Schmarotzer in Gang. Das Aufbauwunder war vorbei, ab jetzt ließ sich deutsche Verkommenheit vermarkten - Holocaust war nur eines der neuen, gewinnbringenden "Produkte".

Unter Bedingungen der Wechselreiterei verdampfen Arbeitsplätze. Das merkt inzwischen sogar Rot-Grün, und ihr cäsarisch posierender Kanzler läßt seine Wahlversprechen vom Wind angeblicher Konjunkturen verwehen. Sein Finanzminister verscherbelt die Eiserne Reserve (für das Volk sich einmal als ein Stück Freiheit gegen Erpressung geschaffen hat) und behauptet frech, die Staatsverschuldung abzubauen, wenn er die wechselreitende Neuverschuldung etwas weniger hochtreibt als früher.

Schuld trägt niemand, schon gar nicht untätig absahnende und Günstlinge kaufende Politiker, Schuld ist die Rezession in den USA, das heißt: die Bin Laden, Hussein, Hitler und wie die Buhmänner alle heißen. Von Wechselreiterei will niemand etwas gemerkt haben und die Frage, warum Deutschland trotz Krise Schlußlicht in der Wirtschaftsentwicklung Europas ist, bleibt offen. Welcher Wechselreiter hätte je selbst Schuld gehabt? Sie wollten immer nur das Beste, die Firma, das Geschäft, das Gesicht, die Ehre retten. "Das eben ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortzeugend immer Böses muß gebären" und so belügt der typische Wechselreiter die Prolongierer mit erfundenen Geschichten vom demnächst fälligen, ganz großen Geschäft, das alle Probleme löst. So die EU-Kommission in ihrem Bericht vom 21.11.2001. Sie gibt zwar zu, daß ein weltweiter Wirtschaftseinbruch sie und ganz besonders Deutschland treffen wird. Aber Ende 2002 sei der Spuk vorbei und alles gehe wieder aufwärts, dann wirkten sich Zinssenkungen aus, importierten die Amerikaner wieder, ließen Inflation und Ölpreisverfall die Güterpreise und Gewinnerwartungen der Banken anziehen usw.

Doch wie soll das in den USA gehen? Entsprechend der rasant zunehmenden Verschuldung wächst dort auch die Zahl der Pleiten wie nie zuvor. Gegenüber dem Vorjahr stiegen sie im ersten Halbjahr 2001 um 67% an und setzten im ersten Halbjahr 2001 bereits 57,9 Mrd. $ in den Sand. Dazu blieben Firmen die Zinsen für Obligationen im Wert von 33 Mrd. $ schuldig. Woher soll der Aufschwung den Auftrieb nehmen, wenn nicht vorher die wechselseitigen Schulden, das wertlos gewordene Papier seine Wertlosigkeit eingesteht. Aber man ist nicht mehr fromm, vergißt das Shabat-Jahr, nur nicht "sein" Geld.

Mehr noch als Staat und Betrieb sind private Haushalte verschuldet. Ende 2000 hatten sie zum Beispiel in Amerika, von wo die Rettung kommen soll, 7.063,8 Milliarden Dollar zu schultern. Bis Mitte 2001 waren sie trotz einsetzender Konsumentenzurückhaltung um weitere 300 Mrd. US$ gewachsen. 14,5% des Haushaltseinkommens fließen dort im Schnitt in den direkten Schuldendienst. Bei niedrigen Einkommen sind es über 40%. Die Banken brauchen, wenn ihre Schuldner klamm werden, neues Geld. Um 8.418,4 Mrd. $ wuchsen ihre direkten Verbindlichkeiten in diesem Jahr, das waren 222% mehr als im Jahr zuvor. Gezählt werden nur herkömmliche Verschuldungsformen nicht so genannten Finanzderivate. Das noch offene Volumen dieser Geldgeschäfte "unter dem Ladentisch" belief sich im Jahr 2000 auf 40.000,5 Mrd. US$., was daran faul ist, bleibt ihrer Natur nach unbekannt. Betriebe haben um das 1,6 Fache höher Schulden als Umsätze. Nimmt man alle Schulden in den USA zusammen, so hat jeder dieser freien Bürger eine Schuld von 250.000 US$ zu tragen, auch die Neugeborenen. Trotz billigster Refinanzierungsangebote mußten allein im 2. Quartal 2001 schon 390.000 dieser Freien den Offenbarungseid leisten. Vor einem Jahr waren es "nur" 312.000 gewesen. Dazu stieg die Zahl der Unternehmenspleiten übers Jahr um 11,8%.

Um das Schlimmste zu verhindern verkauften die Unternehmen neue Anleihen. Das gelang weil Greenspan die Bankzinsen in den Keller gedrückt hatte, und die Anleger auf höhere Zinserträge angewiesen sind. Im ersten Halbjahr 2001 wurden Anleihen im Wert von 924 Mrd. Dollar verkauft, im ganzen Jahr 2000 waren es nur 807 Mrd. gewesen. Den größten Teil des Erlöses aus Anleihen, nämlich 568 Mrd. US$ brauchten die Banken für sich, 248 Mrd. bekam die übrige Wirtschaft und 108 Mrd. die öffentliche Hand in den USA.

In Deutschland sieht es kaum besser aus, nur läßt man sich hier weniger bereitwillig an der dreckigen Unterhose riechen. Doch gibt es auch hier vielsagende Zahlen. In der schlechten Zeit nach dem Krieg, wurde - wie erwähnt - die zerbombte Infrastruktur wieder aufgebaut, aber in der guten war es nicht möglich, sie in Stand zu halten. Trotz "Aufbau Ost" hat sich bei der kommunalen Infrastruktur ein Stau unterlassener Erhaltungsinvestitionen von 1.342 Mrd. DM angesammelt. Wenn hier nicht bald etwas geschehe, berste z.B. die Kanalisation und die Grünen hätten ein wirkliches Umweltproblem, meint das Deutsche Institut für Urbanistik in einem kürzlich vorgelegten Bericht. Weitere 450 Mrd. wären nötig, um die übergreifende Infrastruktur z.B. Bahn und Straße wieder auf Vordermann zu bekommen.

Wer näher hinsieht, erkennt, daß die fröhlich wechselreitende Regierung alles gemacht hat, um die Wirtschaft vor die Wand zu fahren. Um die Finanzmärkte für den fröhlichen Wechselgalopp liquide zu halten, muß Papiere im Wert ständig steigen. Dazu mußte immer neues, kaufwütiges Geld auf die Märkte fließen statt in produktiven, umweltbelastenden Investitionen zu versickern. Das vernichtete Arbeitsplätze. Die Betroffenen versteckte man zunächst in der Verwaltung, in allerlei Diensten, Umweltverbänden und sonstigen unproduktiven Beschäftigungen. Den "neuen" Arbeitsplätzen war eines gemein, sie durften die Menge der Güter nicht vermehren. Denn nur Verknappung garantiert Preise, aus denen sich die Kosten der Wechselreiterei bezahlen ließ.
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http://www.spatzseite.de/20011125.htm