'Fractional banking', Notenbanken und das Geld-Emissions-Monopol des Staates

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Aus: [ Börse & Wirtschaft: Elliott-Wellen-Forum ]
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Geschrieben von Galiani am 24. März 2002 19:21:05:
 
 

»WAS TUN, WENN WIR ZU WENIG GELD HABEN ? WIR MÜSSEN EINE BANK GRÜNDEN !« 
(William Petty, 1695)
 
 
 

 Im ausgehenden 17. und frühen 18. Jahrhundert begann sich der Trick herumzusprechen, daß Banken durch Besicherung immer wieder neuer durch alte Kredite Geldschöpfung in großem Stil betreiben können, wobei eine Beschränkung überhaupt nur durch die Beleihungsgrenze p besteht, also durch jenen Teil der Bilanzsumme, der aus Fremdkapital bestehen darf: Ist p beispielsweise gleich ½, d.h. vom jeweiligen Stammkapital der Bank werden, sich akkumulierend, immer wieder erneut jeweils 50 Prozent an weitere Kunden Kredite vergeben, so läßt sich in der Tat die Bilanzsumme (und das würde im Falle einer zentralen staatlichen Bank bedeuten: die gesamte Geldmenge in einem Land ) theoretisch verdoppeln. Das ist die Annahme, von der Petty ausgeht: »...it hath been shewn, how by the policy of the Bank, any summ of money may be made ... unto near double of the same ...« - "Es ist gezeigt worden, wie bei der routinemäßigen Vorgangsweise der (Wissel-)Bank (in Amsterdam) jede beliebige vorhandene Geldmenge nahezu verdoppelt werden kann", sagt Petty. 

Die rein praktisch-moralische Beschränkung auf p gleich ½ wurde allerdings bald einmal aufgegeben: Denn bei einer Beleihungsgrenze von 80 Prozent, also bei p = 0.8, war es möglich, die Bilanzsumme auf das Fünffache und bei p = 0.95 theoretisch auf das Zwanzigfache steigen zu lassen, entsprechend der Beziehung:

Maximale Bilanzsumme = [1/(1-p)]. 
Kein Wunder somit, daß der Merkantilismus der Errichtung von Banken nicht ohne Begeisterung gegenüberstand. Konnte man so doch endlich den alten Traum der Alchimisten verwirklichen, künstliches Gold zu erschaffen, also »Hunderte von Millionen in Form von Geldzeichen auszugeben, ohne daß man erst nach dem entsprechenden Edelmetall schürfen« mußte, wie es ein früher Autor einmal ausdrückte.

Wie sehr man sich sogleich dieser neu entdeckten Möglichkeiten bediente, zeigt ein Bericht der erst knapp zwei Jahre alten Bank of England an das Unterhaus vom Dezember 1696, wonach sich der Kassenbestand zu den Ausleihungen beinahe wie 1 : 60 verhielt: Krediten von £ 2,101187 stand ein Kassenbestand von gerade noch £ 35 684 gegenüber, oder, in anderen Worten, weniger als zwei Prozent; - ein Zustand, der erst wieder in der spekulativen Kreditinflationsblase der späten neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts erreicht wurde, deren Platzen wir gerade miterleben.

Für Fürst und Staat nutzbar machen läßt sich diese Entdeckung indes, wie oben bereits angedeutet wurde, erst dann richtig, wenn alles Geld in einem Land ausschließlich vom Fürst bzw. vom Staat ausgegeben wird, und das so durch Gesetz exklusiv geschaffene Zahlungsmittel innerstaatlich vor Konkurrenz geschützt ist.. Denn solches "fractional banking" führt erfahrungsgemäß regelmäßig dazu, daß das auf diese Weise emittierte Geld gegenüber dem viel wertstabileren Goldgeld ein Agio erhält und schließlich auch die ursprünglich stets versprochene Möglichkeit suspendiert wird, das Papiergeld in Gold einzulösen. Würde der Fürst oder der Staat auf seine Prärogative verzichten, allein die gesetzlich gültigen Zahlungsmittel emittieren zu dürfen, so hätten die Bürger immer die Möglichkeit, auf Alternativen ausweichen zu können - und würden dies im Krisenfall auch tun, so wie sie das immer in der Geschichte getan haben. Geldkrisen haben erst in der jüngeren Geschichte eine so unheilvolle Rolle zu spielen begonnen, seit es den Regierungen lückenlos gelungen ist, ihr Geldausgabe-Monopol durchzusetzen. Beim Zusammenbruch von John Law's Banque Royale in Frankreich 1720 verloren zweifellos viele Leute eine Menge Geld. Und doch ist dieses Ereignis in seinen Auswirkungen in keiner Weise vergleichbar mit den katastrophalen gesellschaftlichen und gesamtstaatlichen Folgen eines heutigen Währungszusammenbruchs, wie wir ihn derzeit etwa in Argentinien oder in den frühen siebziger Jahren in den meisten lateinamerikanischen Staaten verfolgen können bzw. konnten. Und fast alle Notenbanken - oder "öffentliche" Banken, wie sie früher hießen - gingen früher oder später am "fractional banking" zugrunde; angefangen von der die damalige Welt beherrschenden "Casa di San Giorgio" in Genua, über die Wisselbank in Amsterdam bis zu den modernen Notenbanken, wie sie seit der französischen Revolution und insbesondere seit Ausbruch des Ersten Weltkrieges in allen Ländern entstanden. Franz Pick hat eine Liste von 58 Ländern zusammengetragen, deren Währungen sich zwischen 1950 und 1975 zur Gänze oder fast zur Gänze entwertet haben und seit 1975 hat sich diese Liste nochmals um rund drei Dutzend Länder verlängert.

Ungeachtet dieser in deprimierender Regelmäßigkeit eintretenden Folgen des "fractional banking" wird der Menschheit seit gut vier Generationen aus den dargelegten Gründen suggeriert, daß nur die Regierung eines Landes das Recht haben sollte, ein gesetzlich gültiges Zahlungsmittel auszugeben. Dieses gebetsmühlenhaft wiederholte (und von den Menschen kaum je auf seine logische Begründung hin hinterfragte) Postulat beruht indes keineswegs auf so sicherem Fundament, wie die meisten Leute glauben:

Die einzige wirklich fundamentale Voraussetzung funktionierenden Geldes ist, daß es »allgemein angenommen« werden muß. Es ist nicht einzusehen, weshalb privat geschaffenes Geld dem nicht entsprechen könnte. In der Tat gibt es auch immer wieder Stimmen, die mit guten Gründen die Beseitigung des Geldausgabe-Monopols des Staates fordern. Vor allem deshalb, weil im Falle des stoffwertlosen Geldes, wenn ausschließlich die Regierung das Recht hat, Geld zu prägen, um so eher das Schicksal droht, daß die Regierung die Menge des Geldes heimlich vermehrt und sich so einseitig Anspruchsberechtigungen gegen das Sozialprodukt verschafft, die nicht gerechtfertigt sind.

Zur so energisch verteidigten staatlichen Emissions-Prärogative ist zunächst einmal kritisch anzumerken, daß ja ohnehin seit 200 Jahren Private in viel größerem Umfang Geld schöpfen als der Staat: Ursprünglich etwa die privaten Notenbanken; am Ende des 19. Jahrhunderts hatten in Deutschland 54 Banken das Recht, Noten auszugeben. Als dieses Privileg, das erst vom NS-Regime endgültig beseitigt wurde, zum Monopol der Zentralbank geworden war, waren es die Kreditbanken, die die heute wichtigste Form des Geldes, das Depositengeld, hervorbrachten. Wiewohl dieses nicht mehr durch die Einlieferung von Edelmetall, das der Einlieferer geprägt zurückerhält, in den Verkehr kommt, sondern auf dem Kreditwege. 

Auch anderswo finden sich historische Belege dafür, daß ein vom Staat unabhängiges Geld einwandfrei funktionieren kann: Zur Zeit Galianis waren in Mailand nebeneinander 50 verschiedene Währungen in Geltung. In Rußland zirkulierten bis auf Peter den Großen ausschließlich ausländische Goldmünzen. In Schottland hatte jahrhundertelang jedermann das gesetzlich verbriefte Recht, Banknoten auszugeben, ohne daß das je zu Schwierigkeiten geführthätte. Desgleichen liefen in Japan vor 1872 fast 1700 unterschiedliche Arten von Papiergeld um; von Banken, von Clans und auch vom Staat. Die Chinesen bezahlten überhaupt mit ungeprägtem Silber nach dessen Gewicht. Dies war dort noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts üblich.

Neuerdings fordert der sogenannte Hayek-Plan ein vom Staat völlig unabhängiges, »entnationalisiertes« Geld. Dieser Plan sieht vor, daß Geld ausschließlich von untereinander im Wettbewerb stehenden Großbanken ausgegeben wird. Diese hätten größtmögliches Interesse daran, dessen Wert stabil zu erhalten, da sich ein allfälliger Wertverlust einer Geldsorte als Wettbewerbsnachteil des ausgebenden Institutes niederschlagen würde. Dieser revolutionäre Vorschlag des Nobelpreisträgers F. A. von Hayek wurde in den letzten 25 Jahren gründlich diskutiert, ohne daß bis heute ein triftiges Argument gefunden worden wäre, das gegen die Verwirklichung der Idee spräche.
 

 Gruß

G.

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