21.10.2001

Der drohende Bankrott oder 

"Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann?"

Die Leute sind hysterisch oder werden durch die Medien so gemacht. Ohne Grundlage ist das aber nicht möglich. Angst vor Terrorschlägen ist nicht der wirkliche Grund. Diese dienen eher als willkommener Anlaß, um daran eine tiefersitzende, unbewußte Angst aufzuhängen. Die eigene Zukunft erscheint - und ist es wohl auch - so beängstigend, daß alles andere gesucht wird, um sich darüber aufzuregen und damit abzulenken: Umwelt, Lady Di's Tod oder die Anschläge auf die WTC-Türme. Real ist die unbewußte Angst vor der Wirtschaftskrise mit den Folgen für das persönliche Schicksal. Sie hat sich inzwischen zu einer systemischen ausgewachsen.

Das Problem mit den Marktwirtschaftlern liegt in drei grundsätzlichen Mißverständnissen. Das eine betrifft eher die Unternehmen: Ein Gewinn, der nur in "Geld" vorliegt oder auf dem Bankkonto erscheint, ist noch kein wirklicher Gewinn, sondern nur ein potentieller. Er muß, um wirklich Gewinn zu werden, erst "realisiert" werden. Der zweite Fehler folgt aus dem ersten und ist eine Vertauschung von ex ante und ex post: Der Markt wirkt erst im Nachhinein und nicht vorlaufend. Das heißt allgemein, eine Fehlinvestition zeigt sich erst im Scheitern der entsprechenden Firma und nicht vorher schon oder während der entsprechend fehlentschiedenen Tätigkeit. Der Grund dafür ist der 3. Denkfehler der Marktwirtschaftler: Sie meinen, der Markt würde automatisch zu angemessenen Preisen und vor allem zur richtigen Allokation der knappen Mittel führen, sie nämlich dorthin leiten, wo man infolge der höchsten Knappheit die höchsten Preise durchsetzen kann. Das tut aber noch nicht der Markt, sondern erst die Krise. Erst die Krise setzt die Marktregulierung durch.

Die Marktregulierung begleiten wiederum zwei Denkfehler. Knappheit liegt in der Realität vor z.B. in Form von Hunger. Über die Preise entscheidet aber nicht die tatsächliche Nachfrage sondern nur ihre Zahlungsfähigkeit. Diese liegt meistens nicht dort, wo die Knappheit real drückt, also z.B. der Hunger wütet. Die Verwechslung von Geld und Realität ist der erste wesentliche Trugschluß der Marktwirtschaftler und der Zweite ist, sich die Wirksamkeit des Marktes ohne die Krise zu denken. Erst und nur die Krise setzt Marktpreise durch und sorgt für eine realitätsgerechte Allokation der Mittel. Wird die Krise "entschärft", manipuliert oder vor sich hergeschoben z.B. durch Krisenmanagement, dann folgt daraus zwangsweise eine Verzerrung der Wirtschaftsentwicklung und eine Verschärfung der Krisenhaftigkeit der Wirtschaft. Systemisch wird die Krise dann, wenn das Krisenmanagement zu so schwerwiegenden Verzerrungen geführt hat, daß das Geldsystem nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Woran erkennt man sie?

Am 15.10. schrieb ein Stephen Tominey in der Londoner Zeitung Guardian: sinngemäß. Das US Finanzsystem (und nicht nur dieses) droht unter den Schulden zu implodieren. Insgesamt habe man dort Netto-Verbindlichkeiten von 28 Billionen US$, das ist drei mal mehr als das jährliche Brutto Sozialprodukt, angesammelt. Über die Hälfte der Schulden lasten auf dem produzierenden Gewerbe, im Rest teilen sich staatliche und private Haushalte. Unter einer solchen Last muß eine Wirtschaft ersticken, wenn sie nicht die Kosten der Verschuldung auf andere abwälzen kann, sich von außen - bisher von Japan und Europa - ständig Liquidität zufließen lassen kann. Wieso, könnte man fragen. Des einen Verbindlichkeiten sind doch des anderen Forderungen. Beide heben einander auf.

So dachte vermutlich auch Greenspan. Verbindlichkeiten können der Bank als Sicherheit dienen, auf die sie neu leiht. Auf diese Weise weitet sich das ganze System aus und ergeben sich Spielräume für neue Geschäfte. Nun sind für Verbindlichkeiten Zinsen zu zahlen, die entweder den Gewinn schmälern oder die Preise verteuern. Damit läßt sich zwar der Zuwachs an wechselseitiger Verschuldung, dem eine Ausweitung der Wirtschaft entsprechen sollte, in einer gewissen Weise steuern, aber Geschäftstätigkeit wird nur noch möglich, wenn man zugleich die wechselseitige Zahlungsverpflichtungen, sprich Schulden ausweitet. Irgendwann ertrinkt die Wirtschaft schließlich in Schulden und läßt sich nicht mehr ausweiten.

Nun hat Greenspan allein in diesem Jahr schon 9 mal die Zinsen gesenkt und die Kreditvergabe erleichtert, ohne daß es zu der gewünschten Ausweitung gekommen wäre, ohne daß von den Kreditmöglichkeiten in größerem Umfang Gebrauch gemacht worden wäre. Einzelne Privatleute (Großverdiener), die noch über Liquidität verfügen, konnten zum Teil die abgesackten Aktienwerte zurückkaufen, aber Firmen verlieren ihren Spielraum. Das System schwimmt in Geld und erstickt daran. Das ist kein Widerspruch, wenn man weiß, Geld ist nur noch die Zahlungsverpflichtung der anderen. Wer zu viele Zahlungsverpflichtungen ansammelt, verliert seine Kreditwürdigkeit. Die Zahlungsverpflichtungen des Hochverschuldeten werden von immer höherem Risiko belastet und selbst immer unglaubwürdiger, das heißt aber auch: immer weniger wert. Die Zahlungsverpflichtung bleibt bestehen, ihre Bonität nimmt ab. Das heißt jeder hat Schulden aber keine Werte, um sie abzubezahlen.

Die Gesellschaft versinkt in Schulden, weil Gewinne nicht realisiert, sondern vorwiegend gegen Zahlungsverpflichtungen anderer ausgetauscht worden sind. Zusammenbruch der Aktienwerte und anderer Wertpapiere ist nur eine Form der Krise, die andere ist die Absatz- und Produktionskrise. Kommen diese zusammen und weitere Krisenerscheinungen hinzu, dann formen sie sich zur Systemkrise aus. Jeder wedelt mit Wertpapieren, aber keiner kann oder will sie mehr in Zahlung nehmen.

So kommt es, daß der Wirtschaftsprozeß die Industrieproduktion in den US trotz der Greenspan'schen Geldvermehrung seit 12 Monaten von Monat zu Monat weiter schrumpft. Nach der New York Post vom 16.10. war das seit Oktober 1945 nicht mehr so der Fall. Im September 2001 verringerte sich die Produktion gegenüber dem Vormonat um 1%, im August waren es nur 0,75%, aber schon im Juni lag die Schrumpfung bei 1%. Die Betriebsauslastung liegt trotz der drastischen Rationalisierungsmaßnahmen der letzten Zeit (die Greenspan als Produktivitätssteigerung preist) schon wieder bei 75,5% wie schon im Juni 1983 vor dem Rationalisierungsschub mit entsprechendem Kapazitätsabbau.

Dem entspricht die Kaufzurückhaltung der Konsumenten, die im letzten Monat um 2,4% weniger Geld ausgaben als im Vormonat. Sie lassen sich zum Kauf auch nicht durch patriotische Verpflichtung anregen und zwar aus zwei Gründen. 1. Sie haben kein Geld, weil sie keinen Kredit bekommen und das meiste Geld bereits zum Schuldendienst weggeht, 2. sie halten, was sie noch haben zusammen, weil sie fürchten demnächst arbeitslos zu werden. Nach Umfragen fürchten 20% der Lohnempfänger, demnächst arbeitslos zu werden. Wir haben also die typische Krisenspirale, weniger Produktion - mehr Entlastungen - weniger Kaufkraft - weniger Produktion etc.

Die Angst vor Arbeitslosigkeit ist nicht unbegründet. Nach den großen Entlassungen in der Luftfahrtindustrie, im Tourismus- und Versicherungsgewerbe entläßt nun sogar die Rüstungsindustrie, die von Krieg und Kriegsgeschrei profitieren sollte. Firma Sprint will weitere 10.000 Arbeitsplätze räumen, TRW 1.100, Unisys 3.000 und United Techologies 5.000. Die Ratingfirma Standard & Poor hat die beiden großen Autofirmen General Motors und Ford gleich um 2 Stufen zurückgestuft. Grund ist ihre mit 318,4 Mrd. US$ extrem hohe Verschuldung.

Gleichzeitig müssen sogar die Geldhäuser in den USA ihre Gewinnerwartungen drosseln, JP Morgan/Chase um 68%, Citigroup um 29%. Merril Lynch kündigt die größten Verluste seit 1990 an und daß sie über die gekündigten 3.800 Mitarbeiter hinaus weitere 10.000 entlassen werde. Charles Schwab beklagt Einkommensverlust von -91% Bei anderen sieht es kaum anders aus. Hier liegt der Grund neben der fehlenden Geschäftsausweitung, im Ausbleiben der Zinszahlungen und im Bankrott der Schuldner.

Deutschland folgt bei allem, was den Weg nach unten weist, treudoof. Die Hypovereinsbank entläßt 7.500, die Dresdner Bank 7.800 Mitarbeiter (das sind 15% der Belegschaft). Die Deutsche Bank hofft mit 2.500 weiteren Entlassungen auszukommen. Opel entläßt von 40.000 Beschäftigten 2.500 und Philipps insgesamt 11.000 (wieviel davon in Deutschland ist noch unklar). Kleinere Firmen weisen weniger spektakuläre Zahlen auf, wenn man nicht auf die Prozentzahlen achtet.

Greenspan hatte eine Kreditspirale aufgebaut, die nun wie die einzelnen Stockwerke im World Trade Center eins nach dem anderen einbrechen. Die Kreditspirale verlief wie folgt. Kredite wurden vergeben, sie wurden in Wertpapiere umgewandelt, die wiederum auf dem Markt verkauft und damit in Zahlungsmittel für andere Geschäfte umgewandelt. Das führte zur Wertpapierinflation. Der Trick war einfach. Zahlungsverpflichtungen, Schulden also, wurden in Zahlungsmittel umgewandelt. Das gelang, weil Gewinne, statt sie zu "realisieren", in Wertpapiere angelegt wurden. Jetzt fragt sich, welche Werte diesen Papieren und ihren Derivaten noch zugrunde liegen. Systemkrise ist, sich einzugestehen, daß die Werte schon lange aus dem Fenster geflogen sind, und nur noch Quittungen über das, was man aus dem Fenster geworfen hat, vorliegen. Krisenbereinigung wäre, nun diese Quittungen hinterher zu werfen - das heißt, alle Papiere wertzubereinigen - das heißt, ein Konkursverfahren für die Gesamtwirtschaft. Besitzer riskieren dergleichen nicht ohne Polizeischutz. Die Machtelite braucht dafür den Polizeistaat und außerordentliche Gefahren, z.B. Krieg um ihn zu rechtfertigen.

Greenspan schwätzte vor dem zuständigen Ausschuß in den USA am 16.10.: Die Wirtschaft sei gesund, die Produktivitätssteigerungen der letzten Zeit vor dem Terroranschlag zeigten das. Habe sich der Staub erst wieder gelegt, ginge es wieder aufwärts. Womit? Mit der Produktivitätssteigerung also mit der Einsparung von Arbeitsplätzen, mit der Umwandlung realer produktiver Werte in Geld, in Zahlungsverpflichtungen anderer. Das geht so bis die einzige Realität die Druckmaschine ist, mit der die Federal Reserve Bank Geldscheine druckt, deren Annahme die "militärische Präsenz" (schon heute gibt es in 68 Ländern amerikanische Militärstützpunkte) er zwingt. In Lateinamerika spricht man offen von der "Dollarisierung" der dortigen Volkswirtschaften. Früher sagte man stattdessen "Eroberung".

Und unser SPD-Bundesabkanzler knallt die Hacken zusammen, schreit "Jawoll" und "Ich habe hier noch ein paar Deutsche zum Totschießen, damit die Stimmung im Lande, wenn es so weit ist, das auch trägt". Mit Nibelungen hat das alles kaum etwas zu tun, viel mehr mit Anti-Spartakus.
 

http://www.spatzseite.de/20011021.htm