(1) Wohin treibt Deutschland?
Ein Blick in die Zukunft 

(2) Die unheimliche Großmacht:
Hinter den Kulissen der amerikanischen Weltpolitik

(3) Aktiencrash und Kriegsgefahr: 
Der 30-Jahre-Zyklus

(4) Geopolitik: Wie der amerikanische Krieg gegen den Irak ablaufen könnte
 
 
 

(1) Wohin treibt Deutschland?
Ein Blick in die Zukunft

Es war einmal ein Land, das hatte die stärkste Armee weit und breit, die besten Schulen und Universitäten, eine kleine, hocheffiziente Verwaltung, wenige und einfache Gesetze. Es hatte eine Börse, an der die Aktien immer dann stiegen, wenn die Arbeitslosigkeit zurückging, und fielen, wenn sie zunahm. Dies bei einer Arbeitslosenquote zwischen 2 und 3%. Es hatte einen Kapitalmarkt, auf den man unbesorgt auf Sicht von 30 Jahren in Anleihen investieren konnte und dabei keine Kaufkraftminderung riskierte, denn das Geld blieb auch in der nächsten Generation stabil.

In diesem Land stiegen die Exporte, wuchs die Wirtschaft, die Löhne und Einkommen nahmen stetig zu, der Mittelstand florierte, ein gelernter Maurer konnte mit drei Wochenlöhnen die gesamte Jahresmiete seiner Wohnung zahlen. In diesem Land wurden Gesetze, auch Steuergesetze, für Generationen gemacht. Und der Staatsanteil am Sozialprodukt - das ist das Erstaunliche - erreichte gerade einmal 14%.

Was ich Ihnen eben erzählt habe, ist kein Märchen. Dieses Land gab es wirklich. Es war das deutsche Kaiserreich vor 1914. Die statistischen Angaben beziehen sich auf das Jahr 1912. Es war die freieste Gesellschaft, in der die Deutschen je lebten. Frei, weil das Kaiserreich souverän war, weil Rechtssicherheit herrschte, weil der Staat das Eigentum respektierte. 

Einige wenige Dinge sind seitdem gleich geblieben, das meiste aber hat sich radikal geändert.

Gleich geblieben ist die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft und ihre weltweite Spitzenstellung in den Schlüsselindustrien Chemie und Werkzeugmaschinenbau. Und gleich geblieben ist auch die Struktur des deutschen Außenhandels. Schon damals gingen 75% der deutschen Exporte nach Europa, wobei der osteuropäische Anteil größer war als heute. Aber dieser wird in den kommenden Jahren seinen früheren Stand wieder erreichen. Es stimmt wirklich: schon damals herrschte reger Handel in Europa, und zwar bei freiem Kapitalverkehr. Nur brauchte man dafür keine EU, keine Bürokratie in Brüssel und erste recht keine deutschen Milliardenzahlungen in eine europäische Gemeinschaftskasse.

Heute haben wir statt des Goldstandards eine europäische Zwangswährung, von der niemand sagen kann, wie lange sie hält und was sie in Zukunft wert sein wird. Heute haben wir einen Staatsanteil von rund 50%, und das Geld reicht den Herrschenden trotzdem nicht. Heute haben wir eine offizielle Staatsschuld von 1,2 Billionen Euro bei einem jährlichen Volkseinkommen von 1,5 Billionen Euro (Stand 2001) - eine Staatsschuld, die um ein Vielfaches höher ist, wenn der Staat ordentlich bilanzieren und die ungedeckten künftigen Sozialleistungen in seine Bilanz einstellen würde. 

Ein anderes Kuriosum besteht darin, daß sich dieser finanziell klamme Staat seit vielen Jahren Subventionen an das Ausland, vor allem an die EU, leistet, die weit über 30 Milliarden Mark per annum liegen, die faktisch aus dem Außenhandelsüberschuß Deutschlands aufgebracht werden und die dafür sorgen, daß das deutsche Auslandsvermögen seit 10 Jahren zurückgeht.

Warum habe ich Ihnen die Geschichte aus der Kaiserzeit, die kein Märchen ist, erzählt? 

Zum einen, weil wir unsere heutige Situation nicht als selbstverständlich und alternativlos ansehen dürfen. 

Zum anderen, weil wir begreifen müssen, daß die Geschichte immer wieder große Brüche produziert, daß es gefährlich ist, von der Gegenwart auf die Zukunft zu schließen. Wer hätte schon 1912 geahnt, daß die geordnete und scheinbar festgefügte Welt des kaiserlichen Deutschland zwei Jahre später in einem grausamen, sinnlosen Krieg untergehen würde.

Ich werde Ihnen jetzt sieben Prognosen für die Zeit bis 2010 vortragen und mich dabei nicht auf Deutschland beschränken, denn unser Land ist eingebettet in die Europäische Union, in die Weltwirtschaft und Weltpolitik.
 

Prognose 1: Die große Rezession in den USA kommt erst noch.

Immer noch gilt der Satz, daß die Wirtschaft unser Schicksal ist. Da die deutschen und europäischen Wirtschaftszyklen mehr oder weniger synchron mit den amerikanischen verlaufen, müssen wir unsere Prognosereihe mit einem Blick auf die größte Volkswirtschaft der Welt beginnen. 

Selbstverständlich sind die großen amerikanischen Wirtschaftszyklen nichts anderes als Kreditzyklen. Solange die Kredite ausgeweitet wurden, wuchs die Wirtschaft. Sobald ihr Wachstum stagniert, sobald die Kredite zu schrumpfen beginnen, kommt es zu einer Rezession oder Depression. 

Die Rede ist hier von den langen Zyklen. Nach 20 Jahren des Aufschwungs hat der amerikanische Wirtschafts- und Kreditzyklus sein Endstadium erreicht. Es wurde übrigens Mitte der 90er Jahre noch einmal künstlich verlängert, indem der Notenbankchef Greenspan massiv Liquidität, also frisches Geld, in das System pumpte.

Jetzt ist der gesamte Schuldenberg der USA mit 30 000 Milliarden Dollar so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dreier Jahre. Das ist mehr als zu Beginn der Großen Depression 1929.

Ein Drittel dieses Schuldenberges entfällt auf die privaten Haushalte. Die Achillesferse dabei sind die Hypothekenschulden, mit denen vor allem auch der Konsum finanziert wird. In den USA ist es nicht unüblich, daß ein Haus mit 100 bis 120% seines Marktwertes beliehen wird. 70% der Amerikaner haben einen Hypothekenkredit, 60% davon eine 90%ige Beleihung. Wenn die Immobilienpreise nicht mehr steigen (das kündigt sich bereits an) und anschließend sogar fallen, dann bricht das Kartenhaus zusammen. Die Konjunktur verliert ihre letzte Stütze. Normalerweise folgen die Hauspreise in Amerika dem Aktienmarkt mit einer Verzögerung von zwei Jahren. 
 

Fazit: Wir müssen in den USA in absehbarer Zeit, spätestens ab 2004, mit einer schweren Rezession oder Depression rechnen, die dann auch auf Deutschland und Europa ausstrahlt. 
 

Prognose 2: Die Börsenbaisse dauert zehn Jahre oder länger.

Prognose 1 beinhaltet bereits, daß die Baisse am amerikanischen Aktienmarkt zwar durchaus einmal unterbrochen werden kann, aber noch lange nicht abgeschlossen ist. Der Zusammenhang ist zwingend: Bis 1995 stiegen die US-Schulden und der Aktienmarkt mehr oder weniger im Gleichklang, und das nominale BIP folgte nach. Das ist der normale Ablauf.

Ab 1995 öffnete sich die Schere ganz weit. Die Aktienkurse liefen den Schulden und dem Wirtschaftswachstum davon. Erst seit 2000 beginnt die Schere sich zu schließen. Aber: Um eine halbwegs normale Bewertung zu erreichen, müßten sich die amerikanischen Aktienindizes noch einmal halbieren. Das passiert normalerweise nicht in einem Zug. 1929 verlor der Dow Jones 37%, von 1930 bis 1932 81,8%. 

Ein ähnlicher Absturz würde ohne jeden Zweifel auch die reale Wirtschaft mit in die Tiefe ziehen. Es ist völlig normal, daß die Malaise zuerst an den Finanzmärkten sichtbar wird und von dort aus die reale Wirtschaft ansteckt. Deswegen ist es nebenbei bemerkt grundfalsch, auf Volkswirte zu hören, wenn man Aktien kauft. Umgekehrt ist es richtig: die Volkswirte sollten sich den Aktienmarkt anschauen, bevor sie Wirtschaftsanalysen erstellen. 

Für den Aktienmarkt gilt dasselbe wie für die Wirtschaft: Amerika steckt Europa an. Damit droht auch der deutschen Börse - nach einer jederzeit möglichen Erholung von einigen Quartalen - eine lange Durststrecke, auch wenn einzelne Aktien schon jetzt nicht mehr teuer oder sogar preiswert sind. Eine Aktienhausse wie in den neunziger Jahren wird es in diesem Jahrzehnt nicht wieder geben. Die Höhe der Dividenden wird zu einem entscheidenden Kriterium für die Aktienanlage. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war es selbstverständlich, daß Aktien höher rentierten als Anleihen. Sie sind schließlich auch riskanter. 
 

Prognose 3: Nach den Aktienmärkten trifft es die Devisenmärkte.

Die drei Währungen, auf die es ankommt (Dollar, Euro und Yen) blieben bisher verschont, sind aber allesamt extrem krisenanfällig, und zwar aus verschiedenen Gründen. 

Für den Yen-Crash sprechen die atemberaubende Staatsverschuldung und das damit verbundene Inflations-potential, das sich bisher im Markt für japanische Regierungsanleihen nicht im geringsten wiederspiegelt. Eine offene Frage ist, ob ein Kollaps der Japanese Government Bonds die Währung mit nach unten zieht, oder ob umgekehrt zuerst der Yen abstürzt. Daß der Tag der Abrechnung so lange auf sich warten läßt, hängt natürlich damit zusammen, daß Japan der größte Gläubiger der Welt ist. Ich muß auch zugeben, daß das japanische System für westliche Beobachter schwer durchschaubar ist. Japan ist im Grunde eine gelenkte Wirtschaft, keine Marktwirtschaft. 

Der Dollar-Crash ist eher leichter zu prognostizieren. Die USA haben ein jährliches Leistungsbilanzdefizit von rund 500 Milliarden Dollar. Das ist, bezogen auf das BIP, erheblich mehr als Anfang 1985 und weitaus mehr als Anfang der siebziger Jahre - also zu Zeiten, als schon einmal eine rasante Talfahrt des Dollars ausgelöst wurde.

Dieses Leistungsbilanzdefizit bedeutet, daß die USA mehr verbrauchen als sie produzieren, daß sie mehr investieren können als sie sparen, daß sie Tag für Tag weit über eine Milliarde Dollar importieren müssen - mit einem Wort, daß sie sich vom Rest der Welt finanzieren lassen. 

Weil der Dollar Weltreservewährung Nummer 1 ist, kann das lange gut gehen - bis der Punkt erreicht ist, an dem das Ungleichgewicht nicht mehr tragbar ist, an dem der Rest der Welt nicht mehr mitspielt, an dem die USA selbst an einer Abwertung ihrer Schulden interessiert sind.

Wir müssen klar sehen, daß die Dollar-Hegemonie untrennbar mit der politischen und militärischen Weltherrschaft der USA verbunden ist. Seit der spanischen Vorherrschaft im 16. Jahrhundert, ja sogar seit den Zeiten des römischen Imperiums, wird der Abstieg einer Weltmacht immer begleitet von Währungsverfall, von Inflation und steigenden Zinsen. England, der Vorläufer der USA, war der letzte derartige Fall. Auch die USA werden letzten Endes diesem Schicksal nicht entgehen. 

Nun zum Euro. In punkto Staatsverschuldung schneidet die Euro-Zone ungleich besser ab als Japan, in punkto Zahlungsbilanz besser als die USA. Nur handelt es sich bei der Euro-Zone weder um eine homogene Volkswirtschaft noch um einen optimalen Währungsraum. In Griechenland hat die Inflation schon wieder 3,6% erreicht, in Portugal ist die Produktivität nur halb so hoch wie in Deutschland, die Skandinavier haben ihre Staatshaushalte im Griff, die Deutschen und Franzosen nicht im geringsten.

Weil hier zusammengefügt wurde, was nicht zusammenpaßt, werden die inneren Widersprüche dieser künstlichen Euro-Konstruktion aufbrechen - noch in diesem Jahrzehnt. Die Spreads der Staatsschulden werden sich ausweiten, d.h. die Finanzmärkte werden je nach Bonität unterschiedliche Zinsen verlangen. Dann werden einzelne Euro-Länder Schwierigkeiten mit der Bedienung ihrer Schulden bekommen. Gut denkbar ist auch, daß das eine oder andere Land aus dem Euro wieder ausscheidet. Damit ist freilich erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts zu rechnen. Daß der Beitritt der osteuropäischen Länder zur Währungsunion den Euro nicht gerade stärken wird, bedarf keiner Erläuterung.

Über die Abfolge dieser drei programmierten Währungskrisen kann man streiten. Vielleicht kommt erst der Yen an die Reihe, dann der Dollar und zuletzt der Euro. Zeitweise kann das auch, wie in den dreißiger Jahren, die Form eines Abwertungswettlaufs annehmen. 
 

Prognose 4: Der Stern Amerikas wird sinken.

Auch das römische Imperium hatte zum Zeitpunkt seiner größten militärischen Ausdehnung unter Kaiser Trajan den Zenit bereits überschritten. Noch ist Deutschland eine „unglückliche Kolonie“, um einen amerikanischen Soziologen zu zitieren. Noch ist Europa ein „amerikanisches Protektorat“, wie Brzezinski sich ausdrückte. Aber die Verselbständigung Deutschlands und Europas zeichnet sich bereits ab. Die Interessengegensätze werden deutlicher. Schließlich werden sich die Europäer fragen, warum mehr als ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende immer noch amerikanische Truppen auf ihrem Boden stehen. Auch Sinn und Zweck der Nato, die sich von einem Verteidigungsbündnis zu einem rein amerikanischen Herrschaftsinstrument entwickelt hat, wird hinterfragt werden. 

Seit dem 11. September 2001 haben die USA einen Weg eingeschlagen, der abwärts führt - das jedenfalls ist die Lehre der Geschichte. Es handelt sich um einen Fall von „Imperial Overreach“, von imperialer Überdehnung. Sie verzetteln sich. Sie sind politisch und militärisch an zu vielen Krisenpunkten engagiert. Sie vergessen, daß jedes Machtmonopol Widerstand provoziert - umso mehr, je länger es andauert. 

Damit steigt die Kriegsgefahr weltweit. Kriege brechen aus, wenn eine Weltmacht ihre Position zu verteidigen müssen glaubt (wie England gegenüber Deutschland 1914). Sie brechen aber auch aus in Zeiten von Börsenbaisse und Depression (wie in den dreißiger Jahren).

Tatsächlich läßt sich seit 1894 ein ungefährer 30jähriger Zyklus nachweisen, der bisher immer mit einer schweren Rezession und kriegerischen Verwicklungen zu Ende gegangen ist.

Der aktuelle Zyklus begann 1980. Sein kriegs- und krisenanfälliges letztes Drittel hat 2001 begonnen und kann durchaus bis 2010 dauern.
 

Prognose 5: Der Sozialstaat in Deutschland wird insolvent.

Damit steht das System Bundesrepublik in diesem Jahrzehnt vor seiner größten Bewährungsprobe seit 1949. Aufgebaut ist der Umverteilungsstaat auf einer parasitären Bürokratie, auf wirtschaftlicher Unvernunft, auf Täuschung und Selbsttäuschung. Lassen Sie mich das kurz schildern:

* Zunächst ein Blick auf die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. 2001 hatte die öffentliche Hand in Deutschland Gesamteinnahmen von 951,5 Milliarden Euro und Ausgaben von 1009 Milliarden. Die größten Posten unter den Einnahmen waren Steuern mit 488,3 Milliarden und Sozialbeiträge mit 383,6 Milliarden. Letztere sind im Prinzip nichts anderes als verkappte Steuern.

* Der mit Abstand größte Posten auf der Ausgabenseite sind die Sozialleistungen mit 548,1 Milliarden. Wir sehen sogleich, daß die Sozialleistungen sowohl die Sozialbeiträge als auch alle Steuern, die in einem Jahr in Deutschland eingenommen werden, bei weitem übersteigen. Ein grotesker, unhaltbarer Zustand.

* Die Bereiche in Deutschland, die privatwirtschaftlich organisiert sind, funktionieren in der Regel trotz permanenter staatlicher Behinderung. Die Bereiche, die planwirtschaftlich organisiert sind, funktionieren nicht. Das gilt für Rentenversicherung und Gesundheitswesen. Was sich hier entwickelt hat, ist ein Monstrum. 1957 noch machten die Sozialbeiträge 23,8% vom Bruttolohn aus, heute sind es 41%. Parallel zu diesem parasitären Wachstum wucherte der Steuerstaat. Schätzungsweise 70% der weltweiten Steuerliteratur ist auf deutsch! Trotz der Einführung von Computern ist die Personalstärke dieser Bürokratie um ein Vielfaches gewachsen. Die Bundesanstalt für Arbeit hat 86 000 Beschäftigte - davon sind nur 10% in der Arbeitsvermittlung aktiv. Auf 300 000 Mediziner in Deutschland kommen 145 000 Angestellte der Krankenkassen. 40% der Aufwendungen für staatliches Wohngeld gehen für die Verwaltung verloren. Diese riesige Bürokratie hat längst auch die Parlamente unter ihre Kontrolle gebracht. Im Bundestag sind die Gewerkschaftsfunktionäre, Bürokraten und Berufspolitiker unter sich. Die Wahlen sind zu Ritualen verkommen, die der Perpetuierung des bürokratischen Herrschaftssystems dienen. 

* Die Wähler werden getäuscht und lassen sich täuschen. Nicht einmal die einfachsten Zahlen stimmen. Z.B. wird uns erzählt, daß das Rentenniveau bis 2030 von 70% des letzten Nettogehaltes auf 67% absinken werde. Das klingt harmlos, es bezieht sich freilich auf die rein theoretische Eckrente. In Wirklichkeit bekommen die Haupteinkommensbezieher (von denen mit kleinem Einkommen gar nicht zu reden) schon heute im Durchschnitt nur noch 59% ihres letzten Nettoentgeltes. Die Methoden, mit denen gearbeitet wird, heißen Intransparenz und Angst. Der Umverteilungsstaat wird bewußt undurchsichtig gehalten, Kostenrechnungen sind schon wegen der ständigen Quersubventionierungen kaum möglich. Die Politiker nähren die Illusion, daß das System mehr ausspuckt, als vorher hineingesteckt wurde. 

* Weil die Leute Angst haben, glauben sie, sie bräuchten die Politiker. Dabei sind diese fast nur noch mit der Scheinlösung oder Verschleppung selbst geschaffener Probleme beschäftigt - und ziehen eben daraus den Nachweis ihrer Existenzberechtigung. Das beste Konjunkturprogramm wäre ein Sabbat-Jahr für sämtliche Politiker.

Wann wird das System auf Grund laufen? Langfristig muß es scheitern, weil aus demographischen Gründen die Steuer- und Beitragszahler im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung immer weniger werden. Die verheerenden Folgen des Geburtendefizits sind seit langem bekannt, wurden aber in unverantwortlicher Weise ignoriert. Bis 2010 wird die Bevölkerung (ohne Zuwanderung) um 2,5 Millionen abnehmen, danach beschleunigt sich der demographische Zusammenbruch rasant. Bis 2040 wird die Bevölkerung um 18 Millionen geschrumpft sein. Das ist mehr, als heute in den neuen Bundesländern leben.

Viel schlimmer und tödlich für den Umverteilungsstaat ist die Alterung. Bis 2040 geht der erwerbsfähige Teil der Bevölkerung um 16 Millionen zurück. Daß diese Lücke auch nur zu einem nennenswerten Teil durch Einwanderer geschlossen werden kann, ist eine glatte Lüge.

Zugegeben, die demographische Katastrophe wird den Umverteilungsstaat in diesem Jahrzehnt noch nicht mit voller Wucht treffen. Das akute, mittelfristige Problem liegt im miserablen Wirtschaftswachstum und den damit verbundenen Steuerausfällen.

Wenn meine Prognose stimmt, daß die Konjunktur das ganze Jahrzehnt über im Trend schwach bleibt, dann droht dem Sozialstaat schon in diesem Jahrhundert die Insolvenz. 

Was passiert dann? Massive Steuererhöhungen werden zwar versucht, greifen aber nicht mehr, weil sie unter dem Strich zu einer Minderung, nicht etwa zu einer Verbesserung, der Steuereinnahmen führen würden. Ein Zusammenhang, den die bekannte Laffer-Kurve bestens erklärt. 

Andere Möglichkeit: Ein radikaler Umbau des Umverteilungssystems. Dazu müßten vorher dessen Machtstrukturen gebrochen werden, vor allem das Gewerkschaftskartell. Daß eine amtierende Gewerkschaftsregierung die Gewerkschaften entmachtet, ist wohl ein bißchen viel verlangt.

Bleibt als vorläufiger Ausweg eine Kombination von Sozialkürzungen, Neuverschuldung und Inflation. Die Schulden steigen dann nominal, aber nicht unbedingt real, weil sie gleichzeitig entwertet werden. Geopfert wird dabei der Geldwert. Das ist im Prinzip machbar, seitdem mit dem Euro die Konkurrenz der Währungen in Europa abgeschafft wurde. 
 

Prognose 6: Die Ära der 68er geht zu Ende

Damit kommen wir zum erfreulicheren Teil meiner Prognosen. Die Regierung, die seit 1998 an der Macht ist, rekrutiert sich ideologisch und personell weitgehend aus der Bewegung der 68er. Erst kam die Kulturrevolution, dann die Eroberung der Ämter. Die 68er sind kollektivistisch, anti-liberal, anti-Marktwirtschaft, anti-Familie, anti-christlich, multikulti, partiell anti-national, in jedem Fall aber pro-Staatsknete. Auch diese Generation altert, sie verliert in den kommenden Jahren die geistige Hegemonie, die sie Ende der neunziger mit dem sogenannten „Kampf gegen Rechts“ noch einmal zementierten konnte. Sie wird selbstverständlich abtreten müssen. Vielleicht schon 2006, spätestens 2010. Dann schwingt das Pendel zurück zu konservativen, nationalen und liberalen Positionen. 

Wenn das Geburtendefizit erst einmal als Problem Nummer 1 erkannt ist, wird der Wert der Familie wieder entdeckt. Außerdem gilt: Je älter die Bevölkerung, desto größer der Stellenwert der Inneren Sicherheit. Je diffuser und anonymer die EU, desto attraktiver die Nation. Und je weiter wir uns vom 20. Jahrhundert entfernen, desto wirkungsloser wird das Erpressungspotential der deutschen Vergangenheit.

Es gibt wohl kaum eine bessere Symbolfigur für die Ineffizienz des Linkskartells, als den Berliner Bürgermeister Wowereit - eine narzißtische Null, die mit der Leitung einer konkursreifen Stadt beauftragt wurde. Solche Figuren sind Auslaufmodelle.
 

Prognose 7: In Deutschland entsteht ein anderes Parteiensystem.

Die Überlegung ist einfach und einleuchtend: Wenn sich Volksmeinung und Parteiensystem nicht mehr decken, dann ändert sich in einer Demokratie nicht das Volk, sondern das Parteiensystem. 

Nach einer Allensbach-Umfrage von Anfang 2002 ordnen sich 30% der Deutschen im politischen Spektrum als rechts ein, 31% als links, 36% als Mitte. (Interessant am Rande, daß die Sozialdemokratie im Reichstag von 1912 mit 34,8% nur wenig schwächer war als heute.) Dem Meinungsspektrum entspricht die heutige Parteienlandschaft nicht im geringsten. Der rechte Flügel fehlt. Daß er fehlt, hat nicht zuletzt mit der kulturzerstörenden Hegemonie der 68er zu tun. Sobald diese schwindet, kommt Bewegung in die politische Landschaft.

Denkbar ist, daß die prinzipiell opportunistische CDU dem neuen Zeitgeist folgt, daß sie wieder einen konservativen und nationalliberalen Flügel herausbildet und damit auch das rechte Spektrum abdeckt. Das wäre die hessische Lösung, der nächste Bundeskanzler hieße Roland Koch. Mit Angela Merkel ist das nicht zu machen. Sie ist ein Produkt der Ära Kohl und repräsentiert die „letzte Schwundstufe des Konservatismus“. 

Einen ersten mutigen Vorstoß zur geistigen Wende in der CDU machte der Bundestagsabgeordnete Axel Fischer in einem Interview mit der Zeitschrift Der Selbständige. Er verlangte die Entideologisierung und Enttabuisierung der politischen Debatte und die Überwindung der politischen Korrektheit. „Die Alternativen heißen: Freiheit oder Sozialismus, Pioniergeist oder Vollkaskomentalität, Eigenverantwortung oder Staatsverantwortung, Marktwirtschaft oder Bürokratie.“

Nicht völlig auszuschließen ist auch eine Entwicklung à la Österreich, d.h. die Metamorphose der FDP zu einer nationalliberalen Volkspartei. Dazu gab es 2002 erste Ansätze. Aber auch dies ist ein Generationenproblem. Zumindest ist die FDP eine Option, auf die man achten sollte. 

Vorstellbar ist auch die italienische Lösung, nämlich das Entstehen einer neuen bürgerlichen Partei, die sich national und liberal präsentiert. Eine kollektivistische Bewegung, die sich national und sozialistisch zugleich gibt, wird in Deutschland keine Chancen haben. Alle populistischen und rechten Parteien, die in den letzten Jahren in Europa Erfolg hatten, sind marktwirtschaftlich und freiheitlich orientiert.

Meine Grundüberlegung ist, daß das herrschende Parteienkartell in der Wirtschaftspolitik, in der Steuerpolitik, in der Bevölkerungspolitik, in der Ausländerpolitik (um nur die wichtigsten Felder zu nennen) versagt hat, daß es reformunfähig ist und daß dieses Versagen in den kommenden Jahren offenkundig werden wird. Dann wird die Öffentlichkeit nach einem Kabinett der Fachleute rufen. In der Politik ist es wie in der Wirtschaft: man kann die Realität nur eine Zeitlang ignorieren, man kann die Bilanzen nur eine Zeitlang fälschen, man kann nicht permanent von der Substanz leben.

Soweit der Versuch eines Blicks in die Zukunft. Dabei ist das worst-case-Szenario, d.h. das Szenario des schlimmsten Falls, noch nicht berücksichtigt. Es orientiert sich an den dreißiger Jahren. Es setzt voraus, daß das Sozialprodukt nicht für ein paar Quartale, sondern für einige Jahre zurückgeht. Dann würde die Steuerbasis schlicht und einfach wegbrechen, die Sozialleistungen müßten brutal gekürzt werden, die politische Szene würde sich radikalisieren, die Kriminalität würde explodieren, innere Unruhen (auch von Seiten des Millionenheeres arbeitsloser Ausländer) würden ausbrechen, die Bundeswehr müßte eingesetzt werden, die EU könnte samt Euro auseinanderbrechen. Ein solches Szenario mag unwahrscheinlich sein, wir müssen es aber vorsichtshalber in unsere Zukunftsplanung einbeziehen.

Wie auch immer, vor uns liegen Jahre der Entscheidung. Gefragt ist wieder einmal die Regenerationsfähigkeit des deutschen Volkes. 

(DeutschlandBrief, Dezember 2002). 
Wiedergabe eines Vortrages von Dr. Bandulet.
 
 
 
 

(2) Die unheimliche Großmacht
Hinter den Kulissen der amerikanischen Weltpolitik
(DeutschlandBrief, März 2002)
 

Es ist nun fast ein halbes Jahr her, daß zwei
Verkehrsflugzeuge in die New Yorker Zwillingstürme rasten, und noch immer liegen Vorgeschichte und Hintergründe des 11. September 2001 im dunkeln.

Schon kurz nach dem Attentat sprach der DeutschlandBrief von einer immensen Verschwörung, deren Zusammenhänge wohl nie vollständig aufgeklärt würden – eine Einschätzung, an der wir nach wie vor festhalten.

Zu einer ähnlichen Wertung kam Andreas von Bülow in einem Interview mit der Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit vom 8. Februar. Von Bülow (SPD) war von 1976 bis 1980 Staatssekretär im Verteidigungsministerium und danach Bundesforschungsminister, arbeitet jetzt als Rechtsanwalt in Bonn und hat sich einen Namen gemacht als ein intimer Kenner verdeckter Operationen, die sich im Dreieck von Geheimdiensten, Terroristen und Organisierter Kriminalität auf internationaler Ebene abspielen.

Von Bülow ist kein Verschwörungstheoretiker vom linken oder rechten Rand des politischen Spektrums. Er muß ernst genommen werden. In seinem Interview vom 8. Februar findet sich folgender Satz: "Der Terroranschlag vom 11. September war vermutlich nicht das Werk von Muslimen."

Auf die Frage, wer denn sonst der Urheber gewesen sei, antwortete von Bülow: "Das kann ich Ihnen auch nicht sagen." Man darf annehmen, daß der Bonner Anwalt damit etwas artikulierte, was auch manche Verantwortlichen in Berlin denken, aber nicht zu sagen wagen.

Von Bülow wies darauf hin, daß von den 19 angeblichen Selbstmordattentätern sieben nachweislich noch leben und daß sich auf den veröffentlichten Passagierlisten der vier gekaperten Flugzeuge kein einziger arabischer Name befindet.

Auch wenn wir uns nur auf die gesicherten Erkenntnisse beschränken, dann steht fest:

(1) daß die USA noch 2001 intensive Kontakte mit dem Talibanregime hatten, daß durchaus Chancen für eine Verhandlungslösung des Afghanistan-Problems bestanden, daß die militärische Option bewußt gewählt wurde;

(2) daß die USA schon vor dem 11. September beschlossen hatten, sich in Zentralasien militärisch festzusetzen;

(3) daß schon vor dem 11. September amerikanische und britische Truppen zusammengezogen wurden;

(4) daß Washington mehrmals und von verschiedenen Seiten vor einem verheerenden Anschlag gewarnt wurde;

(5) daß Ben Laden ein langjähriger CIA-Protegé war und daß die Kontakte auch 2001 nicht beendet waren;

(6) daß die Vorbereitungen für das Attentat nachweisbar auf dem Boden der USA stattfanden und daß die Anschuldigungen gegen arabische Regierungen als Drahtzieher nie belegt werden konnten;

(7) daß vor und nach dem 11. September bis zu 200 Israelis in den USA verhaftet wurden.

Wenn man das alles berücksichtigt, dann wird die Geschäftsgrundlage des internationalen Krieges gegen den Terror fraglich, dann benutzen die USA den 11. September als Vorwand für eine eigene Agenda, dann war die Ausrufung des Nato-Bündnisfalles durch Bundeskanzler Schröder voreilig und unbegründet, dann wird die Bundeswehr als Hilfstruppe in einem Konflikt mißbraucht, der nichts mit dem Nato-Vertrag und nichts mit deutschen Interessen zu tun hat. Dann stellt sich auch die Frage nach den Parallelen zum Golfkrieg von 1990, auf die wir später eingehen werden.

So oder so bleibt der 11. September samt Vor- und Nachgeschichte ein hochkompliziertes Puzzle, von dem nur wenige Einzelteile bisher zusammenpassen:

Ad 1) Noch im Mai 2001 gab das US-Außenministerium Hilfsgelder in Höhe von $ 43 Millionen an die Taliban frei – zur Belohnung dafür, daß Kabul den Mohnanbau und die Opiumproduktion eingestellt hatte (Los Angeles Times, 22. Mai 2001). Im Juni 2001 trafen drei prominente amerikanische Diplomaten, darunter der frühere US-Botschafter in Pakistan, Taliban-Vertreter in Berlin und drohten mit Militärschlägen gegen das Land im Oktober 2001 (The Guardian, 22. September 2001). Insgesamt kam es bis zum Sommer 2001 zu 20 Treffen zwischen CIA-Vertretern und den Taliban, bei denen über die Auslieferung Ben Ladens verhandelt wurde. Die Taliban stellten Bedingungen, lehnten aber die Auslieferung nicht rundweg ab. Entgegenkommend zeigte sich besonders der Außenminister (Financial Times, 31. Oktober 2001).

Ad 2) Im Januar 2001 besuchte ein Vertreter des Pentagon, Dr. Jeffrey Starr, Tadschikistan. Schon vor dem 11. September hielten sich US-Spezialeinheiten in Kirgistan auf (The Guardian, 26. September 2001). Im Mai 2001 reiste der CIA-Direktor George Tenet nach Pakistan und führte dort "eine außergewöhnlich lange Unterredung" mit Staatschef Musharraf (die indische Nachrichtenagentur SAPRA, 22. Mai 2001). Am 7. Oktober 2001 unterzeichneten die USA einen Militärvertrag mit Usbekistan, dessen Details nie veröffentlicht wurden (Neue Zürcher Zeitung, 12. November 2001). Offen bleibt, wie lange der Vertrag in Vorbereitung war.

Ad 3) Bereits im August und Anfang September meldete der regierungsunabhängige US-Nachrichtendienst Stratfor, daß sich die USA auf einen Militärschlag im Mittleren Osten vorbereiteten (und Sharon auf eine neue Kampagne gegen die Palästinenser). Anfang September wurde die britische Militärpräsenz in Oman auf 25 000 Mann erhöht. Zur selben Zeit, also noch vor dem 11. September, trafen zwei US-Flugzeugträger im arabischen Golf vor der pakistanischen Küste ein. 

Ad 4) Am 12. Juli 2001 verkündete die russische Prawda, die USA seien als Ziel eines Angriffs ausgewählt worden, der am 11. August stattfinden werde (vgl. DeutschlandBrief, November 2001). Im August 2001 beauftragte Präsident Putin seinen Geheimdienst, die USA vor bevorstehenden Angriffen auf Flughäfen und Regierungsgebäude zu warnen (der US-Sender MS-NBC, 15. September 2001).

Ad 5) Im Juli 2001 ließ sich Ben Laden im Amerikanischen Hospital in Dubai behandeln und wurde bei dieser Gelegenheit vom örtlichen CIA-Vertreter besucht (Le Figaro, 31. Oktober 2001). Der Kontakt in Dubai wurde später von amerikanischen Seite dementiert, das Dementi wurde von der FAZ übernommen – allerdings ohne zu erwähnen, daß der Figaro vor Ort recherchiert und Augenzeugen aufgeboten hatte. Zur langjährigen Zusammenarbeit zwischen Ben Laden und CIA vgl. DeutschlandBrief Oktober 2001. 

(Interessant in diesem Zusammenhang: Unmittelbar nach dem 11. September durften die in den USA wohnhaften elf Angehörigen des Ben Laden-Clans mit einem gecharterten Flugzeug, das in Boston startete, ungehindert nach Saudiarabien ausreisen. Ebenfalls nach dem 11. September verkaufte die Ben Laden-Familie ihren Anteil am amerikanischen Rüstungskonzern Carlyle Group, für dessen Tochterunternehmen der jetzige US-Präsident Bush als Direktor gearbeitet hatte. Einzelheiten dazu brachte BBC am 6. November 2001.) 

Ad 6) Selbst in der offiziellen amerikanischen Version wird nicht bestritten, daß der 11. September von amerikanischem Boden aus organisiert wurde. Auch die amerikanische Bundespolizei FBI bestätigte, daß sie keine Verbindungen zum Staatsterrorismus feststellen konnte und keine Hinweise darauf habe, daß Staaten zu dem Attentat vom 11. September beigetragen hätten (NZZ, 15. November 2001). Am 3. Dezember 2001 berichtete die New York Times, daß die in den USA verschickten Milzbranderreger vermutlich aus einem B-Waffen-Programm der US-Regierung stammen.

Ad 7) Am 12. Dezember 2001 meldete der US-Sender Fox News, daß seit dem 11. September etwa 60 Israelis in den USA verhaftet worden seien: "Es gibt keine Hinweise darauf, daß die Israelis in die Angriffe vom 11. September verwickelt waren, aber die Untersuchungsbeamten haben den Verdacht, daß sie über die Angriffe Vorausinformationen gesammelt und diese (den US-Behörden) nicht mitgeteilt haben." Auf Anfrage von Fox News verweigerten Regierungsstellen nähere Auskünfte über die Verhaftungen mit der Begründung: It ist classified information. Die Zeitungen in Deutschland berichteten nicht über die Verhaftungen. Ebenfalls am 12. Dezember meldete Fox News, daß bereits vor dem 11. September "bis zu 140 andere Israelis" wegen Spionageverdacht verhaftet worden seien. In einem Regierungsdokument werde Israel als country A eingestuft, als Land also, das von allen US-Verbündeten die aggressivsten Spionageoperationen gegen die USA durchführe. (Fox News steht der Republikanischen Partei nahe und hat neuerdings mehr Zuschauer als der konkurrierende Nachrichtensender CNN.)

Das außenpolitisch sehr enge und zugleich von Mißtrauen geprägte Verhältnis zwischen den USA und Israel ist freilich nur ein Aspekt des Krieges gegen den Terror, der mit dem 11. September ausgerufen wurde, der die Weltpolitik auf Jahre hinaus prägen wird und in den längst auch Deutschland mit unabsehbaren Konsequenzen hineingezogen wurde.

Manches erinnert an den Golfkrieg 1990, als die USA schon einmal ein doppeltes Spiel spielten und ihre ureigensten Hegemonial- und Rohstoffinteressen zu einer Angelegenheit des ganzen Bündnisses machten. 

Damals war es die Regierung Kohl, die von Washington brutal unter Druck gesetzt wurde – mit einem Schreiben des amerikanischen Verteidigungsministers Richard Cheney vom 20. August 1990, in dem dieser eine massive deutsche Unterstützung für den US-Militäraufmarsch am Golf verlangte. Cheney ist heute Vizepräsident der Vereinigten Staaten. 

Damals ging es gegen Saddam Hussein, jetzt – nach Abwicklung der Afghanistan-Operation – möglicherweise ein zweites Mal. 

Der Preis, den die Kohl-Regierung 1990/1991 zu zahlen hatte, lag am Ende bei 17,2 Milliarden Mark – ein Drittel des deutschen Verteidigungshaushaltes. Geld, das damals in einer entscheidenden Phase bei der Finanzierung der deutschen Einheit fehlte.

Ähnlich wie der Afghanistan-Konflikt wäre der Golfkrieg wahrscheinlich vermeidbar gewesen, aber er bot den USA die lange ersehnte Chance, sich militärisch in der Region festzusetzen und Stützpunkte auf der arabischen Halbinsel zu errichten. Das hatten die Saudis bis dahin abgelehnt. 

Vieles deutet darauf hin, daß die USA Saddam eine Falle stellten – eine Version, die auch von Scholl-Latour in seinem Buch "Lügen im Heiligen Land" vertreten wird.

Von 1980 bis 1988 hatte Saddam Hussein bekanntlich mit amerikanischer und westlicher Unterstützung und unter immensen eigenen Verlusten Krieg gegen den damaligen Erzfeind der USA geführt, gegen den Iran. Saddam glaubte, ihm stünde eine finanzielle Entschädigung zu, schließlich waren seine Kassen leer. 

Am 25. Juli 1990 empfing er die amerikanische Botschafterin April Glaspie, um zu sondieren, wie sich die USA bei einem irakischen Zugriff auf Kuwait verhalten würden. Antwort der Botschafterin: "Wir haben keine Meinung zu arabisch-arabischen Konflikten, wie Ihre Grenzstreitigkeiten mit Kuwait. Das Thema hat nichts mit Amerika zu tun."

Am 2. August 1990 marschierte die irakische Armee in Kuwait ein, am 6. August verhängte die UNO Sanktionen, am 29. November verlangte der UN-Sicherheitsrat den irakischen Rückzug bis zum 15. Januar 1991. Am 16. Januar begann die Operation Desert Storm mit der Bombardierung Bagdads. Vorher war in Nato-Kreisen von einem Alptraum-Szenario die Rede gewesen. Damit gemeint war ein Teil-Rückzug des Irak aus Kuwait vor dem 15. Januar, wodurch der Zwang für Washington gewachsen wäre, eine Verhandlungslösung zu akzeptieren.

Eine besonders zynisches Kapitel des Golfkriegs bestand darin, daß Washington und London die Irakis zum Aufstand gegen den Diktator aufriefen, dann aber im März 1991 ungerührt zusahen, wie sich die Schiiten im Süden des Landes (und die Kurden im Norden) gegen Saddam Hussein erhoben und massakriert wurden. Die US-Luftwaffe hätte den Einsatz irakischer Kampfhubschrauber gegen die Schiiten jederzeit unterbinden können – sie blieb untätig. Hintergrund: Ein Sieg der Schiiten hätte Persien gestärkt, und ein solches Resultat des Golfkrieges war unerwünscht. 

Die USA wollten den Irak nur schwächen, nicht aber zerschlagen. Wenn sie jetzt einen neuen Krieg gegen Saddam Hussein planen, muß man sich fragen, warum sie damals auf seinen Sturz verzichtet haben. 

Schon der Golfkrieg von 1990/91 stand im Zeichen der amerikanischen Hyper-Moral, des Kampfes gegen das Böse – als ob es jemals in der Geschichte gute Großmächte gegeben hätte.

Für Deutschland stellt sich heute weitaus stärker als 1990 die Frage, ob es sich in amerikanische Kriege hineinziehen lassen soll – möglicherweise in eine Serie von Kriegen mit open end. Afghanistan, Kuwait, Dschibuti, Somalia, Kenia – die Liste der Einsatzplätze der Bundeswehr wird immer länger und exotischer. Dies ist die Armee, die einst zur Landesverteidigung aufgestellt wurde! 

Aber Deutschland muß doch, so heißt es immer, den Amerikanern für die Wiedervereinigung dankbar sein. Richtig: die Deutschen haben keinen Grund, sich antiamerikanisch zu gebärden, auch wenn die Wiedervereinigung nur das Abfallprodukt einer langfristigen amerikanischen Strategie war, die seit Ronald Reagan darauf abzielte, den großen Konkurrenten Sowjetunion auszuschalten.

Was die USA in den achtziger Jahren inszenierten, war ein brillanter Zangenangriff auf die Sowjetunion, den das provinzielle Deutschland bis zum Schluß nicht durchschaute. Die Politiker in Bonn, auch Helmut Kohl selbst, hatten die deutsche Einheit abgeschrieben und waren völlig unvorbereitet, als die Sowjetunion den Kalten Krieg verlor und das DDR-Regime zusammenbrach.

Die Amerikaner gingen folgendermaßen vor: Während der Geheimdienst CIA den Kollaps der Öl- und Goldpreise orchestrierte und damit die Exporteinnahmen der Sowjetunion dezimierte, rüstete Reagan massiv auf. Er zwang die Sowjets zu einem Wettrüsten, das sie an den Rand des Bankrotts trieb. Gleichzeitig investierte die CIA schätzungsweise drei Milliarden Dollar in den afghanischen Widerstand gegen die Russen, bis die Rote Armee schließlich abziehen mußte. 

Außerdem wurde der Partisanenkrieg mit Wissen und Billigung der CIA durch afghanische Drogenexporte finanziert, die die westlichen Absatzmärkte überfluteten. Der Drogenanbau wurde schließlich von den Taliban unterbunden, wird aber nach dem Machtwechsel in Afghanistan jetzt wieder aufgenommen. 

Zu den dunklen Seiten der amerikanischen Weltmacht gehört auch, daß der internationale Drogenhandel mehr als einmal politisch instrumentalisiert wurde; daß der Drogenumsatz in den USA auf 150 Milliarden Dollar geschätzt wird; daß in keinem Land mehr Drogengelder gewaschen werden als in den USA; daß ein Abzug dieser Gelder aus dem US-Finanzmarkt den größten Börsencrash aller Zeiten auslösen würde. Nicht von ungefähr flog Richard Grasso, Chairman der New York Stock Exchange, Ende Juni 1999 nach Kolumbien und traf sich dort mit einem Vertreter der Narco-Terroristen. 

Ronald Reagan gelang es, die Sowjetunion militärisch, finanziell und politisch entscheidend zu schwächen. Aber Gorbatschow hätte die Großmacht Sowjetunion durchaus erhalten können. Nie zuvor in der Geschichte war ein mächtiger Staat ohne akute Bedrohung von innen oder außen so schnell und nahezu widerstandslos zusammengebrochen. Daß Moskau dann auch noch der deutschen Einheit zustimmte, ohne daß das Land aus der Nato austreten mußte, grenzt an ein Wunder.

In einer hochinteressanten Studie (Gorbatschow als Partner des Westens) kommt der österreichische Psychologe Wolfgang Caspart zu dem Ergebnis, daß Gorbatschow im Dezember 1984 von Margaret Thatcher als indirekter Agent rekrutiert wurde, 1987 oder 1988 an die Amerikaner übergeben, von diesen 1989 und 1990 subtil gepflegt und eiskalt benutzt und, nachdem er seine Rolle gespielt hatte, 1991 fallengelassen wurde. (Eine andere Geschichte, die Caspart nicht erzählt, ist die Ausplünderung Rußlands in jenen Jahren, an der New York nicht ganz unbeteiligt war).

Die internen Bemerkungen der amerikanischen Führung über Gorbatschow, die Caspart ausgegraben hat, sind oft brutal und zynisch. Wer sie liest, verliert die letzten Illusionen, die er sich über Großmachtpolitik gemacht haben mag. Moral und Hyper-Moral bilden immer nur die Verpackung, nie den Inhalt der amerikanischen Weltpolitik. 

Der Grand Design Amerikas für das neue Jahrhundert ist kein Geheimnis, man kann ihn bei Autoren wie Samuel P. Huntington und Zbigniew Brzezinski nachlesen. 

Huntington predigt den Kampf der Kulturen – nur gäbe es diesen wahrscheinlich nicht, wenn die USA die Araber in Ruhe ließen. Es waren die westlichen Geheimdienste, inklusive des Mossad, die uns den Islamismus eingebrockt haben, meint dazu Andreas von Bülow.

Professor Brzezinski, Sicherheitsberater von Präsident Carter, Mitglied der Trilateralen Kommission und aller wichtigen Machtzirkel und Denkfabriken an der Ostküste, hat den Masterplan schon 1997 in seinem Buch The Grand Chessboard (Das große Schachbrett) ausgearbeitet. Auszüge:

* Der Zusammenbruch der Sowjetunion besiegelte den Aufstieg der USA zur alleinigen Weltmacht. 

* In Eurasien liegt das Zentrum der Weltmacht. "Amerikas globale Vorherrschaft hängt direkt davon ab, wie lange und wie effektiv das amerikanische Übergewicht auf dem eurasischen Kontinent aufrecht erhalten werden kann."

* "Die drei großen Gebote einer imperialen Geostrategie lauten: ein Zusammenspiel der Vasallen zu verhindern und ihre sicherheitspolitische Abhängigkeit aufrechtzuerhalten; die Tributpflichtigen gefügig zu halten und sie zu schützen; die Barbaren daran zu hindern, daß sie sich zusammenschließen."

* Der Kampf um die Weltherrschaft entscheidet sich in Zentralasien. Brzezinski nennt unter anderen Kasachstan, Turkmenistan und besonders Usbekistan und verweist auf die enorme Konzentration von Gas- und Ölreserven und auf den Plan einer Pipeline durch Afghanistan und Pakistan.

* "Da Amerika eine zunehmend multikulturelle Gesellschaft wird, könnte es schwieriger werden, einen Konsensus zur Außenpolitik herzustellen – außer im Falle einer wirklich massiven direkten äußeren Bedrohung, die allgemein als solche begriffen wird."

Exakt darin besteht die Funktion des 11. September: er mobilisiert Amerika wie einst Pearl Harbour, er ist wie Kitt für eine gespaltene multikulturelle Gesellschaft, er kaschiert die bedrohliche Krise des amerikanischen Finanzsystems, er signalisiert den Beginn eines Feldzuges, der darauf abzielt, weltweit die letzten Widerstände gegen die Weltherrschaft zu brechen. 

Dies ist ein Krieg, sagte Vizepräsident Cheney, "der vielleicht nicht endet, solange wir leben."

Einen solchen Konflikt den Dritten Weltkrieg zu nennen, ist nicht ganz abwegig. Da wird sich wohl auch Deutschland und Europa der internationalen Verantwortung stellen müssen. Aber welcher? 
 

Literaturhinweise:

Andreas von Bülow: Im Namen des Staates – CIA, BND und die kriminellen Machenschaften der Geheimdienste, Piper Verlag, München 1998, 624 Seiten, DM 46.

Wolfgang Caspart: Gorbatschow als Partner des Westens – Geschichte, Sozialphilosophie, Politische Psychologie, Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt 2001, 146 Seiten, DM 49. 

Peter Scholl-Latour: Lügen im Heiligen Land – Machtproben zwischen Euphrat und Nil, Goldmann, München 2000, 495 Seiten, DM 19,90.

Zbigniew Brzezinski: The Grand Chessboard – American Primacy and its Geostrategic Imperatives, 1997.
(Die deutsche Ausgabe erschien unter dem Titel Die einzige Weltmacht.)

(DeutschlandBrief, März 2002)
 
 
 

(3) Aktiencrash und Kriegsgefahr: 
Der 30-Jahre-Zyklus
(Aus: Spezialausgabe DeutschlandBrief August/September 2002)

Daß Krieg und Frieden mit Wirtschafts- und Börsenzyklen zusammenhängen, hat man immer schon geahnt. Wie sehr das stimmt, ist in einer Untersuchung der Londoner Firma Rhombus Research nachzulesen, die uns jetzt zugegangen ist.

Interessant für unser Thema ist besonders ein 30jähriger Zyklus, den man sich so vorstellen muß: Ungefähr alle 30 Jahre steuert die Wirtschaft und mit ihr die Industrieproduktion auf einen Tiefpunkt zu, danach folgt eine lange Wachstumsperiode, zusammen mit der Wirtschaft erholt sich die Börse, die Banken geben wieder großzügig Kredite, die Verschuldung nimmt allgemein zu - bis ein hoher Sättigungsgrad erreicht ist und der Kreditzyklus zu Ende geht. Dann kommt es zum Absturz.

Wichtig ist nun, daß speziell im letzten Jahrzehnt dieses 30jährigen Zyklus nicht nur finanzielle und wirtschaftliche Krisen überhand nehmen, sondern auch Kriege ausbrechen. Das hat sicherlich auch damit zu tun, daß sich Regierungen gerne in außenpolitische Abenteuer flüchten, wenn ihnen die Probleme zuhause über den Kopf wachsen.

Sehen wir uns also dieses Auf und Ab am Beispiel der letzten vier Zyklen an, die von Rhombus Research unter Zugrundelegung der amerikanischen Daten berechnet wurden: 

(1) 1894 bis 1921, Dauer 27 Jahre. Demnach machte die amerikanische Industrieproduktion 1894 ein ausgeprägtes Tief, erholte sich anschließend kräftig und erreichte Spitzenwerte in den Jahren 1903 und 1904. Darauf folgte eine schwere Rezession - und der Eintritt Amerikas in den Ersten Weltkrieg, exakt im letzten Jahrzehnt des Zyklus.

(2) 1921 bis 1946, Dauer 25 Jahre. Damals brachten die zwanziger Jahre einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung, der sich auch in Deutschland dank amerikanischer Kredite bemerkbar machte und der mit dem Börsenkrach vom Oktober 1929 endete. Aus der darauffolgenden Großen Depression konnten sich die USA erst mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wirklich befreien. Wiederum fiel der Krieg in das letzte Drittel des Zyklus.

(3) 1946 bis 1980, Dauer 34 Jahre. Das Kriegsende 1945 brachte den Zusammenbruch der Industrieproduktion in den USA. Danach eine lange, gesunde Wirtschaftsblüte mit zunächst geringer Verschuldung, bis sich schließlich die USA mehr und mehr in den Vietnamkrieg verstrickten, dafür Haushaltsdefizite in Kauf nahmen und 1970 Kambodscha auf das Brutalste bombardierten. Die ganzen siebziger Jahre, der finale Teil des Zyklus also, waren geprägt durch Ölkrisen, durch den Krieg im Nahen Osten, durch Inflation, durch einen miserablen Kursverlauf an den Renten- und Aktien-märkten, durch einen zusammenbrechenden Dollar, durch steigende Goldpreise und - zum Abschluß - durch den Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan im Dezember 1979.

(4) 1980 bis 2010? Das ist der gegenwärtige Zyklus. Wann er genau endet, bleibt vorerst offen, denn die 30 Jahre sind nur ein grober Mittelwert, wie wir gesehen haben. Alles andere paßt schon jetzt: Die Aktienmärkte haben ihre 20jährige Hausse beendet, die seit 1982 laufende Kreditausweitung hat sich erschöpft (nur die Staatsverschuldung geht munter weiter), die Industrieproduktion ist bereits abgestürzt, die Wirtschaft stagniert, wird aber (nach Meinung von Rhombus Research) erst nach 2003/2004 die tiefste Rezession seit den siebziger Jahren erleben. (Demnach würden Wirtschaft und Börse noch vor Ende 2002 zu einer Erholung ansetzen, die aber lediglich einige Quartale dauern wird).

Alles spricht dafür, daß sich auch der übliche Kriegszyklus wieder einstellt. Den Startschuß gab der 11. September 2001 mit dem Anschlag auf die Zwillingstürme von New York. Seitdem Aufrüstung in den USA, Einmarsch in Afghanistan, Errichtung von Stützpunkten in Zentralasien, dramatische Verschärfung des Palästina-Konfliktes. Das neue Jahrzehnt stand von Anfang an im Zeichen des Mars. Die euphorischen neunziger Jahre mit ihrer Friedensdividende sind passé. Keine Rede mehr vom Ende der Geschichte.
 
 

(4)Geopolitik: Wie der amerikanische Krieg gegen den Irak ablaufen könnte

Es war schon immer üblich, daß Großmächte ihre Interessenpolitik ideologisch und moralisch bemänteln - so auch die USA gegenüber dem Irak. Es geht Washington selbstverständlich nicht um den Sturz eines brutalen Diktators per se. In den achtziger Jahren war das irakische Regime kein anderes als das heutige - und doch galt Saddam damals als Bollwerk gegen die Islamisten in Teheran. Die USA unterstützten ihn im Krieg gegen die Perser, sie versorgten ihn mit Satellitenbildern der feindlichen Truppenbewegungen, sie lieferten ihm sogar nachweislich Material für biologische Waffen inklusive Anthrax-Erreger. Als biologische und chemische Waffen gegen iranische Truppen und gegen die Kurden im Nordirak eingesetzt wurden, waren in Washington und London keine Proteste zu hören. Die Briten hatten übrigens, was im Irak keineswegs vergessen ist, in der Zwischenkriegszeit selbst Giftgas im Irak eingesetzt, um einen Aufstand zu unterdrücken. 

Es geht den USA auch nicht per se um neue Waffeninspektionen durch die UNO. Dazu ist Saddam Hussein bereit, weil er die Inspektionen selbstverständlich seinem Sturz vorzieht. Das Ziel der USA geht über die Inspektionen weit hinaus. Washington will in Bagdad ein Satellitenregime einsetzen und die politische Landschaft im gesamten Nahen und Mittleren Osten neu ordnen.

Dabei kommen auch amerikanische Erdöl-Interessen ins Spiel. Bush ist bekanntlich der Mann der Öl- und Rüstungsindustrie. Am 4. Oktober erst berichteten die Zeitungen über "hartnäckige Gerüchte", wonach sich die europäischen Konzerne TotalFinaElf, Shell und ENI durch Abkommen mit der Regierung Saddam Hussein den Zugriff auf die irakischen Ölreserven nach dem Ende der Sanktionen gesichert haben. Die irakischen Reserven sind fast so groß wie die saudischen! Würde aber in Bagdad eine amerikanische Marionettenregierung installiert, dann kämen ohne Zweifel die US-Ölkonzerne zum Zug. Auch die Türkei, die bereits einige tausend Soldaten in den Nordirak entsandt hat, schaut begehrlich auf das irakische Öl.

Die US-Regierung will nicht mehr und nicht weniger als einen Regimewechsel in Bagdad. Sie ist bereit, einen Krieg in Kauf zu nehmen, der genau genommen nicht einmal ein Präventivkrieg wäre, denn der militärisch geschwächte Irak bedroht weder die USA (das ist auch die Meinung des CIA-Direktors) noch Europa noch seine Nachbarn. Nach wie vor existiert in Washington, nicht zuletzt im Militär, eine starke Fraktion, die einen Krieg gegen den Irak für falsch hält. Es sieht aber bisher nicht so aus, als könne sie sich durchsetzen. Die Frage ist nun, wie der amerikanische Masterplan verwirklicht werden kann:

(1) Zu erwarten ist, daß sich Rußland, China und Frankreich im UN-Sicherheitsrat durchsetzen und daß tatsächlich UNO-Inspekteure eine Zeitlang im Irak tätig werden. Damit ist die Kriegsgefahr jedoch keineswegs beseitigt. Die USA könnten zunächst, unter einem Vorwand, Kommandoeinheiten zum Schutz der Inspektoren in den Irak einfliegen - alles weitere ergibt sich von selbst.

(2) Vermeiden ließe sich der Krieg, wenn Saddam umgebracht wird oder wenn das Militär gegen ihn putscht. Washington liebäugelt durchaus mit diesen Optionen. Ein Mord oder ein Putsch sind jedoch unwahrscheinlich, aber nicht völlig auszuschließen. Falls so etwas passiert, würden die Finanzmärkte erleichtert reagieren, die Öl- und Goldpreise würden voraussichtlich zurückgehen.

(3) Das wahrscheinlichste Szenario sieht so aus, daß die Amerikaner und Briten mit Luftangriffen beginnen, eventuell schon im November. Mitte Oktober hat Verteidigungsminister Rumfeld überraschend eine für November geplante Korea-Reise abgesagt. Ziel der Angriffe wird es sein, die irakische Luftabwehr auszuschalten, Nachrichtenverbindungen und militärische Einrichtungen sowie einen Teil der zivilen Infrastruktur zu zerstören - und zumindest zu versuchen, Saddam selbst zu treffen.

(4) Erst für eine spätere Phase ist die Invasion vorgesehen. Nach dem bisherigen Ablauf des Aufmarsches am Golf zu urteilen, ist dies für das 1. Quartal 2003 zu erwarten. Den Krieg werden die USA gewinnen, fragt sich nur, zu welchen Kosten.

(5) Versetzen wir uns in die Lage von Saddam Hussein. Nicht ganz auszuschließen, aber unwahrscheinlich ist, daß er - seinen Sturz vor Augen - abdankt und ins Exil geht. Eher anzunehmen ist, daß er bereits einen Schlachtplan entworfen hat. Er wird die Lehren aus dem Golfkrieg 1991 gezogen haben, als schätzungsweise 100 000 Mann seiner Armee im offenen Gelände abgeschlachtet wurden. Er wird den Norden und Süden, die gesamte Peripherie seines Machtbereiches aufgeben, einen Ring um Bagdad legen und versuchen, die US-Truppen in Straßenkämpfe zu verwickeln, bei denen die Luftunterstützung nicht greift. Solange die irakischen Generäle und die Elitetruppen loyal bleiben, kann er den Preis, den Amerika zu zahlen hat, beträchtlich in die Höhe schrauben.

(6) Das Ironische an der Irak-Krise ist: Wenn Saddam Hussein wirklich umfangreiche Massenvernichtungswaffen und die dazu nötigen Trägersysteme hätte, könnte man ihn gar nicht angreifen. Dann wäre das Risiko unverantwortlich hoch. Der Großteil seiner Waffen wurde freilich schon in den neunziger Jahren im Zuge der UN-Inspektionen zerstört. Aber er hat noch Restbestände. Er könnte den USA damit drohen, biologische oder chemische Kampfmittel in amerikanischen Großstädten anzuwenden. Die US-Regierung stünde dann vor der immens schwierigen Entscheidung, die Drohung entweder ernst zu nehmen oder sie als Bluff zu ignorieren.

Wenn alles vorüber ist, wird sich herausstellen, daß der Irak nur der Auftakt zu einer langen Serie von Krisen war. 

Erstens, weil die neue amerikanische Präventivkriegs-Strategie (genau genommen eine Strategie auf Verdacht) im Gegensatz zum NATO-Vertrag steht und schon deswegen die europäisch-amerikanische Allianz schwer belasten muß. 

Zweitens, weil ein Angriff auf den Irak dem traditionellen Völkerrecht den Todesstoß versetzen und den Trend zur internationalen Anarchie verstärken würde.

Drittens, weil auf den Regimewechsel in Bagdad die Konfrontation mit dem Iran folgen würde. Schon die Regierung Clinton stufte im Mai 1993 den Irak als kurzfristige, den Iran aber als langfristige Bedrohung amerikanischer Interessen ein. Das nannte sich damals dual containment policy. 

Und viertens, weil der Irak-Krieg keinerlei Beitrag dazu leistet, den internationalen Terrorismus einzudämmen - ganz im Gegenteil. Der Kampf gegen den Terror ist logischerweise ein asymmetrischer Konflikt. Der beste Militärapparat nutzt wenig gegen Terroristen. Auch die USA können den Terror nicht wegbombardieren. Er kann allenfalls eingedämmt und nach und nach ausgetrocknet werden - mit geheimdienstlichen, polizeilichen und vor allem politischen Maßnahmen.

Die Amerikaner nehmen es offenbar gleichgültig in Kauf, sich den Haß von einer Milliarde Moslems zuzuziehen. Das ist kurzsichtig und eine Fehlkalkulation. Als die Engländer, die Vorgänger der Amerikaner, im 19. Jahrhundert das größte Kolonialreich der Weltgeschichte aufbauten, waren die europäischen Großmächte auf der internationalen Bühne vollkommen unter sich. Kein einziger farbiger Staat spielte eine aktive Rolle. Von 1800 bis 1914 explodierte die Bevölkerung der weißen Nationen (ohne Rußland) von 100 Millionen auf über eine halbe Milliarde, während die farbige Bevölkerung der Welt ungefähr auf gleicher Höhe blieb.

Heute verläuft der demographische Trend ähnlich dramatisch - nur umgekehrt, nämlich zu Gunsten der Dritten Welt. Allein deswegen ist die dauerhafte Unterwerfung und Kontrolle dieser Räume heutzutage nicht mehr möglich. Das ist eine Lektion, die die Amerikaner erst noch lernen müssen. Je größer die Konzentration und Demonstration von Macht, desto härter der Widerstand. Wir müssen uns auf ein kriegs- und krisengeschütteltes Jahrzehnt einstellen.

Wie Öl, Gold, Dollar und Aktien auf einen Irak-Krieg reagieren werden, muß man abwarten. Darüber jetzt schon Prognosen abzugeben, ist unseriös. Noch enthält die Gleichung zu viele Unbekannte. 

(G&M, November 2002)
 
 
 

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