Der inszenierte Krieg
Ehemalige Waffeninspektoren glauben nicht, daß
der Irak Massenvernichtungswaffen besitzt. Trotz gegenteiliger Behauptungen
existieren hierfür nämlich keinerlei Beweise. Dennoch wird ein
Krieg geschürt, dessen Auswirkungen die ganze Welt betreffen können.
Lesen Sie hier, wie es zur aktuellen Irakkrise kam - und welches die wahren
Beweggründe der Kriegstreiber sind.
In seiner berühmt-berüchtigten Rede über
die Achse des Bösen bezichtigte der amerikanische Präsident George
W. Bush den Irak, er habe sich "verschworen, Anthrax, Nervengase und Nuklearwaffen
zu produzieren". Genau ein Jahr davor, im Januar 2001, hatte jedoch der
scheidende US-Verteidigungsminister William Cohen betont, daß die
Streitkräfte von Saddam Hussein "keinerlei Gefahr mehr für seine
Nachbarn darstellen".
Und Ende September 2002 erklärt der irakische
Diktator endlich, daß man wieder Waffeninspektoren ins Land lassen
werde. Trotzdem schlägt die Bush-Administration weiter die Kriegstrommeln
und wirbt unbeirrbar für die Unterstützung zu einem alles entscheidenden
Krieg gegen den Irak, der die ganze Nahostregion und damit die Welt in
einen Strudel von Gewalt zu reißen droht.
Selbstverständlich geht es in diesem Kreuzzug
nicht im geringsten um die Bekämpfung des internationalen Terrorismus,
wie man uns weis zu machen versucht - denn es wäre ja gerade ein solcher
Krieg gegen den Irak, der den islamistischen Fundamentalismus und seine
Bereitschaft zum Terror erst recht anheizen würde! Hinzu kommt, daß
die amerikanische Regierung keinerlei Beweise für die dem Irak zur
Last gelegten Beschuldigungen vorweisen kann.
Die Ursachen, die einen zweiten Golfkrieg unausweichlich
erscheinen lassen, sind in Wahrheit eine gefährliche Verbindung von
Ideologie, Profitstreben und geopolitischem Machtpoker. Verschiedene Interessengruppen
haben zur Zeit ein gemeinsames Ziel: den Sturz des irakischen Regimes.
Und dies sind ihre Beweggründe:
Die US-Regierung und die amerikanischen Erdölkonzerne
wollen sich die Kontrolle und den Profit über die Erdölvorkommen
in Nahost sichern, wie sie es bereits mit den fossilen Schätzen in
Zentralasien getan haben (vgl. Schlußanmerkung über den Afghanistankrieg).
Viele Zionisten hegen noch immer den Traum von einem
Großisrael, das sich als regionale Hegemonialmacht durchsetzen und
den ganzen Nahen Osten beherrschen will. Durch ihren Einfluß auf
die amerikanische Politik spannen sie die USA für ihre Zwecke ein.
Der militärisch-industrielle Komplex lebt vom
Kriegsgeschäft. Die amerikanische Rüstungsindustrie ist mit Abstand
der größte Waffenproduzent und -exporteur der Welt. Bush senior,
der Vater des jetzigen US-Präsidenten, ist Berater bei Carlyle, einer
der weltweit größten Investmentgruppen, die starke Verflechtungen
zur Rüstungsindustrie aufweist. Allein der Afghanistankrieg hat im
Oktober 2001 die Summe von 2,2 Milliarden Dollar verschlungen. Die Kosten
für den geplanten Golfkrieg werden auf 200 Milliarden Dollar geschätzt
- und das bei einer amerikanischen Staatsverschuldung, die jedes Jahr um
450 Milliarden Dollar anwächst!
Ein Krieg bringt bei Meinungsumfragen Punkte für
die Regierung - solange er nicht verloren ist. Dank den Terroranschlägen
auf Amerika (= Krieg im eigenen Land) darf sich Präsident Bush hoher
Zustimmungsraten im Volk erfreuen, denn wenn ein Land von außen bedroht
wird, schart es sich hinter seinen Präsidenten - selbst wenn dieser
nach einem bis dahin einzigartigen Gezänk um Wählerstimmen an
die Macht gekommen ist.
Ein Krieg im Ausland lenkt von innenpolitischen Problemen
ab. Die Amtszeit von Präsident Bush hat nichts Konkretes vorzuweisen
außer abstürzende Börsen, die kaum mehr gestützt werden
können, Wirtschaftsbetrug in bisher unbekanntem Ausmaß, wie
die Bilanzfälschungen und anschließenden Konkurse von Enron
oder MCI Worldcom zeigten, sowie Skandale um Pensionskassengelder. Und
dann wäre da noch der 11. September 2001. Zu viele brennende Fragen
bleiben offen. Zu oft wurde die Regierung beim Vertuschen ertappt, zu offenkundig
hat Präsident Bush eine Untersuchung zum Einsturz der Zwillingstürme
in New York verhindert. Unangenehme Fragen stehen jetzt nicht zur Debatte;
alle reden nur noch vom Irak.
Der Kampf ums Öl
Mit George W. Bush hat die Erdöl-Lobby einen
der ihren im Oval Office. Deshalb hat sie ihn im Wahlkampf auch massivst
mit Spenden unterstützt. Der aus Texas stammende Bush-Clan ist selber
mit Erdöl groß und reich geworden (Zapata Oil Company).
Auch Vizepräsident Dick Cheney hat das Öl
reich gemacht. Als Chef von Halliburton, dem größten Ölfeld-Dienstleistungsunternehmen
der Welt, verdiente er Millionen, während der Konzern heute in Scherben
liegt. Die USA sind vom Erdöl der arabischen Staaten abhängig.
Im Irak gibt es 70 bekannte Ölfelder mit einem Volumen von 112,5 Milliarden
Barrel Erdöl. Damit besitzt der Irak gut 10 Prozent aller Ölreserven
der Welt, und steht damit gleich an zweiter Stelle hinter Saudi-Arabien.
Außerdem vermutet man, daß im Irak weitere unentdeckte Ölfelder
liegen, die zusätzlich 220 Milliarden Barrel Erdöl umfassen könnten.
Von den 70 bekannten Ölfeldern werden heute erst deren 15 kommerziell
genutzt (eine Auswirkung der UN-Sanktionen).
Mit anderen Worten: Der Irak ist für westliche
Erdölkonzerne noch weitgehend jungfräuliches Land mit einer unwiderstehlich
lockenden Anziehungskraft. Achmed Chalabi, Führer des Irakischen Nationalkongresses
- die irakische Opposition im Exil - hat den Amerikanern bereits versprochen,
daß nach dem Sturz Saddams unter seiner künftigen Regierung
die Verträge über die Ausbeutung der neuen Ölfelder mit
US-Erdölkonzernen ausgehandelt würden.
Noam Chomsky, Professor am Massachusetts Institute
for Technology (MIT) und einer der wortgewaltigsten jüdischen Kritiker
des amerikanischen Establishments, sieht hinter dem Säbelrasseln gegen
den Irak weit Schlimmeres als bloß den Sturz von Saddam Hussein.
Er glaubt, die USA planten eine drastische Dezimierung der irakischen Zivilbevölkerung,
damit das Land zu einem bevölkerungsschwachen, gehorsam ölfördenden
Staat wird, der für die westlichen Interessen keine Gefahr mehr darstellt.
In diesem Lichte macht eine von Madeleine Albright
gemachte Aussage durchaus Sinn. Am 12. Mai 1996 sagte die damalige amerikanische
UNO-Botschafterin und spätere US-Außenministerin in einem Fernsehinterview
bei 60 Minutes: "Wir glauben, es ist den Preis wert." Sie meinte damit
den durch die UNO-Sanktionen verschuldeten Tod von über einer halben
Million irakischer Kinder.
Die Nahostexpertin Nita Renfrew hält die
Prognosen Chomskys für durchaus möglich. Sie weist darauf hin,
daß der Irak wegen seiner großen Bevölkerung und Saddams
starkem Engagement für die Palästinenser den Israelis schon lange
ein Dorn im Auge ist - und das nicht erst seit den irakischen Scud-Raketenangriffen
auf Israel während des Golfkrieges.
Renfrew, die selbst in Israel gelebt hat, kennt
die Großmachtgelüste des Kleinstaates aus erster Hand. Damit
Erez Israel - Großisrael - seinen Einfluß vom Nil bis zum Euphrat
ausdehnen kann (wie es Zionistengründer Theodor Herzl 1904 formulierte),
müssen der Irak und später auch Saudi-Arabien zwingend destabilisiert
werden.
Die bösen Saudis
Unter diesem Gesichtspunkt muß auch die
Negativpresse verstanden werden, welche das saudische Königreich in
den letzten Monaten vermehrt von den westlichen Medien erhält - vor
allem in den USA. Daß die Saudis nicht gerade eine Musterdemokratie
führen, ist seit langem bekannt. Doch erst jetzt werden die Zustände
in Saudi-Arabien als unhaltbar angeprangert. Warum? Weil das amerikanische
Erdölmonopol in Saudi-Arabien ernsthaft gefährdet ist. Seit 1930
besitzt das US-Konsortium Amarco de facto das Monopol auf dem saudischen
Erdöl - oder besser: besaß. Denn 1998 entschied Kronprinz Abdullah,
der eigentliche Herrscher in Saudi-Arabien, daß der Erdölmarkt
für den freien Wettbewerb geöffnet werden solle. Nun könnten
sich auch andere westliche oder russische Ölkonzerne eine erkleckliche
Scheibe des Profits abschneiden.
Die jahrelangen Verhandlungen zwischen Amarco
und Kronprinz Abdullah fruchteten nichts, weshalb Abgesandte des Ölkonzerns
den altersschwachen König Fahd aufsuchten, als er sich im vergangenen
Jahr aus gesundheitlichen Gründen in der Schweiz aufhielt. Sie drangen
in den Monarchen, damit er die revolutionären Bestrebungen jener Kreise
im Königshaus Saud absegnen möge, die vorhaben, den Thronanspruch
von Prinz Abdullah anzufechten. Die Amerikaner wollen, daß wieder
König Fahd (oder ein anderer) die Macht übernimmt, um die alte
Ordnung (und damit das US-Erdölmonopol) wieder herzustellen.
Interessanterweise wird das Wüstenreich seit
November 2000 von terroristischen Anschlägen gegen westliche Einrichtungen
erschüttert, welche das Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und
dem anglo-amerikanischen Establishment stark belasten. Die britische Zeitung
The Guardian schrieb am 7. September 2002, Angehörige der britischen
Botschaft in Riad würden von den Saudis beschuldigt, antiwestliche
Bombenattentate orchestriert zu haben, um das arabische Königreich
zu destabilisieren. Verhaftete Botschaftsangehörige hätten dies
gestanden. Die Briten halten zwar dagegen, die Geständnisse seien
unter Folter erzwungen worden.
Wie dem auch sei. Das Verhältnis des Westens
mit Saudi-Arabien ist frostig. Das freut die Israelis, denen Saudi-Arabien
als amerikanischer Bündnispartner nie genehm war - schließlich
möchte sich Israel im Nahen Osten als einziger und wichtigster Verbündeter
der USA darstellen. Außerdem setzt sich Kronprinz Abdullah im Gegensatz
zu König Fahd aktiv für eine Lösung des Palästinenserkonfliktes
ein.
Deshalb sind auch die israelische Regierung und
die Israellobby in den USA für einen Machtwechsel in Saudi-Arabien.
Viele der negativen Presseberichte über den Wüstenstaat, die
in den USA erschienen sind, stammen übrigens nicht aus der Feder von
recherchierenden Journalisten, sondern aus Propagandaschriften, die von
der israelischen Regierung in Umlauf gebracht wurden.
So könnte der Irak bloß der erste Dominostein
sein, der fallen soll. Daß es gerade Saddam Hussein ist, liegt daran,
daß er einer der unabhängigsten und stärksten arabischen
Führer ist und den amerikanischen Erdölinteressen ebenso im Weg
steht wie dem israelischen Hegemonialanspruch im Nahen Osten.
Michael Ledeen wird noch deutlicher. In einem
kürzlich erschienen Aufsatz fordert der amerikanische Geheimdienstler
und Israel-Lobbyist, nach dem Fall von Saddam Hussein müsse die amerikanische
Armee auch die saudische Regierung und dann gleich noch die Regimes von
Syrien und dem Iran stürzen.
Robert Fisk von der britischen Zeitung The Independent
brachte es auf den Punkt: "Bush's Pläne für den Nahen Osten,
die zu einem politischen Erdbeben in der arabischen Welt führen könnten,
passen hervorragend zu den Träumen, die Israel von der Region hat."
Die Vorgeschichte
Diese Pläne unterscheiden sich kaum von jenen,
die Bush's Vater hegte, als er im Weißen Haus saß. Damals wurde
dem Irak eine Schlinge gelegt, in der sich der irakische Diktator prompt
verfing. Damals schon wurde von amerikanischer Seite gelogen. Blenden wir
zurück: 1990 war der Irak nach dem langjährigen Krieg mit dem
Iran finanziell ausgeblutet und wirtschaftlich ausgelaugt. Ein Krieg übrigens,
den Saddam Hussein als Freund der Amerikaner focht, da er gegen das fundamentalistische
Ajatollah-Regime kämpfte, das den pro-westlichen Schah von Persien
gestürzt hatte.
Während der Irak von den USA finanziert und
mit Waffen versorgt wurde, lieferte ‚Amerikas engster Verbündeter'
- Israel - dem iranischen Gottesstaat in den ersten zwei Kriegsjahren Waffen
und chemische Kampfstoffe für mehr als eine Milliarde Dollar; Amerika
drückte beide Augen zu. Die Israelis unterstützten den Iran,
weil sie den Irak schwächen wollten, den sie damals schon als größtes
Hindernis für ihre eigene Expansionspolitik betrachteten.
Nach dem irakisch-iranischen Krieg, der bis 1988
dauerte, versuchte Saddam Hussein, sein Land wirtschaftlich wieder aufzubauen.
Das aber ging nur mit Erdöldevisen. Der Ölpreis war 1990 jedoch
sehr tief, weil Kuwait sich nicht an die ausgemachten Förderquota
der OPEC hielt und damit Saddams Pläne durchkreuzte. Außerdem
warfen die Iraker dem Emirat vor, den Krieg ausgenutzt und sich an irakischen
Ölvorkommen vergriffen zu haben. Konkret ging es um das Rumailah-Ölfeld,
das zu 90 Prozent in Irak und zu zehn Prozent in Kuwait liegt. Kuwait,
so Saddam Hussein, habe dem Irak Öl im Wert von bis zu 14 Milliarden
Dollar gestohlen.
Am 25. Juli 1990 traf sich Saddam deswegen mit
April Glaspie, der amerikanischen Botschafterin im Irak. Glaspie versicherte
Saddam Hussein, daß Präsident Bush senior sich nicht um den
Grenzstreit mit Kuwait kümmere. Damit hatte die Botschafterin dem
Irak faktisch grünes Licht für die Invasion von Kuwait gegeben.
Das von der kalifornischen Sonama State University betreute Project Censored
setzte diese verhängnisvolle Lüge von April Glaspie an die erste
Stelle aller wichtigen Themen, die 1990 von den US-Medien übersehen
oder regelrecht totgeschwiegen wurden.
Saddam Hussein schluckte den amerikanischen Köder
und ließ seine Armeen eine Woche später, am 2. August 1990,
in Kuwait einmarschieren. Damit hatte George Bush senior seinen Vorwand
für die Operation Wüstensturm.
Als Saddam Hussein seinen Fehler erkannte, unterbreitete
er der UNO zwischen dem 10. und 19. August 1990 drei verschiedene Rückzugsvorschläge,
die jedoch alle von den USA ignoriert wurden. Sie lauteten:
Der Irak zieht sich aus Kuwait zurück,
wenn sich Syrien aus dem Libanon und Israel aus den
besetzten Palästinensergebieten zurückzögen;
wenn die in Saudi-Arabien zusammengezogenen US-Truppen
durch UNO-Einheiten ersetzt würden und der ganze Konflikt unter Beachtung
regionaler Gesichtspunkte beigelegt werde;
wenn der Irak das gesamte Rumailah-Ölfeld kontrollieren
könne und ihm Zugang zum Golf von Persien gewährt werde.
Doch Präsident Bush stellte sich taub und erlangte
schließlich am 29. November 1990 vom UNO-Sicherheitsrat die Erlaubnis
zum Golfkrieg - nachdem alle zögernden Mitgliedstaaten des Sicherheitsrates
durch großzügige finanzielle Zugeständnisse (sogenannte
‚Gegengeschäfte') auf Kurs gebracht worden waren.
Operation Wüstensturm endete bereits nach
drei Monaten mit dem Massaker auf der ‚Autobahn des Todes', wo amerikanische
Kampfflieger Zehntausende von irakischen Soldaten zusammenschossen, als
diese sich auf dem Rückzug aus Kuwait befanden.
Amerikanischer Verteidigungsminister war damals
Dick Cheney, der heutige Vizepräsident. Paul Wolfowitz, der stellvertretende
US-Verteidigungsminister, war damals Untersekretär für Politik
im Verteidigungsministerium. Und statt dem Sohn saß damals der Vater
im Weißen Haus. Muß man noch mehr sagen?
Ja, findet Scott Ritter. Denn schließlich
soll der Irak militärisch angegriffen werden, weil er die Waffeninspektoren
der UNO nicht ins Land läßt. Auf diesem Gebiet ist Scott Ritter
Experte. Während sechs Jahren war der Amerikaner nämlich Teamleiter
der Waffeninspektoren im Irak, bevor er 1998 sein Amt aus Protest niederlegte.
Heute übt er vehemente Kritik an den Kriegsplänen von Bush.
Das Spiel mit der Angst
Vizepräsident Dick Cheney behauptet, "der
Irak arbeitet aktiv und aggressiv am Bau einer Atombombe, und die USA könnten
ein Opfer von Bagdads Massenvernichtungswaffen werden... Es gibt keinen
Zweifel, daß Saddam Hussein jetzt über Massenvernichtungswaffen
verfügt. Es gibt keinen Zweifel, daß er sie ansammelt, um sie
gegen unsere Freunde, gegen unsere Verbündeten und gegen uns selbst
einzusetzen".
Eine Schlagzeile der Londoner Zeitung Evening
Standard lautete entsprechend: ‚Saddam: A-Bombe innerhalb von Monaten'.
Der entsprechende Zeitungsartikel bezog sich auf einen kürzlich erschienenen
Bericht des in London ansässigen International Institute for Strategic
Studies. Wer den Bericht allerdings ganz liest, staunt nicht schlecht,
steht doch in der Schlußfolgerung: "Selbst die Szenarien, die das
Schlimmste annehmen, gehen davon aus, daß es noch Jahre dauern wird,
bis Saddam Hussein waffenfähiges Spaltmaterial wird herstellen können
- falls er sich überhaupt die dazu notwendige Ausrüstung aus
dem Ausland verschaffen kann."
Die Kriegstreiber in den USA und in Großbritannien
spielen mit den Ängsten der Bevölkerung, und die Massenmedien
lassen sich willfährig für diese Demagogie einspannen.
"Meine Regierung", klagte Scott Ritter am 20.
August 2002 in Washington an einer Pressekonferenz, "baut einen Kriegsgrund
gegen den Irak auf, der auf Angst und Unwissenheit basiert, was der Wahrheit
und den Tatsachen total widerspricht."
Doch Präsident Bush macht munter weiter.
Kürzlich zitierte er einen Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde
in Wien und behauptete wie schon Cheney, Saddam Hussein sei nur noch sechs
Monate vom Bau einer Atombombe entfernt. "Ich weiß nicht, was wir
sonst noch für Beweise brauchen", rief er dabei kämpferisch in
die Runde.
Ein leitender Beamter der Atomenergiebehörde,
der aus verständlichen Gründen anonym bleiben wollte, betonte
jedoch gegenüber der amerikanischen Zeitung American Free Press: "Es
gibt nicht genügend Beweise. Wir von der Atomenergiebehörde fühlen
uns von den Amerikanern benutzt, damit sie ihre Ziele gegen den Irak vorantreiben
können."
Mißbrauchte Waffeninspektoren
Genauso waren die Waffeninspektoren durch den
amerikanischen Geheimdienst benutzt worden. Daß der Irak Ende 1998
die Waffeninspekteure der UNSCOM (United Nations Special Commission) nicht
mehr ins Land gelassen habe, ist nämlich nur die halbe - und deshalb
irreführende - ‚Wahrheit'.
Scott Ritter, der alles aus erster Hand miterlebt
hatte, erzählt, wie es wirklich war: "Nicht Saddam Hussein hat die
Waffeninspektoren ausgewiesen, sondern Bill Clinton ließ sie aus
dem Irak zurückrufen, weil er im Dezember 1998 seine 72 Stunden dauernden
Luftbombardements durchführen wollte." Was war vorausgegangen?
Die Amerikaner hatten eigene Geheimdienstagenten
in die Teams der Waffeninspekteure eingeschleust, mit dem Auftrag, den
jeweiligen Aufenthaltsort Saddam Husseins zu ermitteln, um ihn liquidieren
zu können. Das war klar gegen die Abmachung und gefährdete das
Mandat der Waffeninspektoren. Dies bestätigt auch der Schwede Rolf
Ekeus, der von 1991 bis 1997 die Waffeninspektionen im Irak geleitet hatte.
Die Amerikaner hätten seine Leute dazu gezwungen, selber nachrichtendienstliche
Informationen zu sammeln, was die Iraker sehr verärgert habe.
Ende 1998 hatte Saddam Hussein von der US-Spionage
endgültig genug und setzte die Zusammenarbeit mit den angeblich neutralen
Waffeninspektoren aus. Nach diplomatischen Verhandlungen wurden die Inspektoren
zwar wieder ins Land gelassen, doch der neue Chefwaffeninspektor Richard
Butler rief am 14. Dezember 1998 alle seine Leute wieder aus dem Irak zurück,
nachdem er sich mit dem amerikanischen Sicherheitsberater Sandy Berger
beraten hatte. Einen Tag zuvor nämlich hatte Bill Clinton den Befehl
zur Operation Wüstenfuchs gegeben. Am 16. Dezember 1998 begann das
amerikanische Bombardement von über hundert irakischen Zielen. Darunter
befanden sich jedoch nur ein Dutzend Objekte, die als mögliche Fabriken
für Massenvernichtungswaffen in Frage gekommen wären; der Rest
waren militärische Anlagen und Residenzen, die der persönlichen
Sicherheit Saddam Husseins dienten. Scott Ritter: "Der Zweck der Operation
Wüstenfuchs war uns allen klar, die wir zuvor die bombardierten Ziele
inspiziert hatten: Nicht die Massenvernichtungswaffen des Irak waren das
Ziel, sondern die Person Saddam Husseins."
Erst nach diesem dreitägigen Bombardement
verweigerte der Irak den Waffeninspektoren jeglichen Zutritt, bis er die
Rückkehr der Inspektoren im September 2002 wieder zusicherte. Ob sich
Bush deswegen von seinen Kriegsplänen abbringen läßt, ist
allerdings mehr als fraglich. Der Irak will nämlich die Garantie des
UN-Sicherheitsrates, daß künftige Waffeninspektoren von Washington
nicht wieder zu nachrichtendienstlichen Zwecken eingesetzt werden. Die
USA - eines der mit Vetorecht privilegierten ständigen Mitglieder
des UN-Sicherheitsrates - haben jedoch verhindert, daß sich das Gremium
mit dieser Forderung auseinandersetzen kann.
Israelische Massenvernichtungswaffen
Angeblich soll ja der Irak angegriffen werden,
weil die UN-Waffeninspektoren nicht ins Land gelassen werden. Es sei deshalb
an dieser Stelle erwähnt, daß es noch einen weiteren Nahost-Staat
gibt, der sich standhaft weigert, ausländischen Waffeninspektoren
Zutritt zu gewähren. Israel, das über die fünftstärkste
Armee der Welt verfügt, besitzt nachweislich ein großes Arsenal
an atomaren Sprengköpfen, die bei Dimona in der Wüste Negev entwickelt
wurden.
Israel hat bis heute die Atomwaffenkonvention
nicht unterzeichnet. Niemand kennt die Größe des israelischen
Arsenals an Massenvernichtungswaffen. Israel läßt auch keine
Inspektionen seines friedlichen Atomprogrammes zu - ganz im Gegensatz zum
Irak, der die entsprechenden Verträge unterzeichnet hat und dessen
Atomanlagen regelmäßig von der Internationalen Atomenergiebehörde
inspiziert werden.
Deshalb wies Saddam Hussein schon im April 1990
darauf hin, daß nicht der Irak, sondern Israel als erster Nahost-Staat
nukleare und chemische Massenvernichtungswaffen produziert habe. Er schlug
damals sogar vor, den gesamten Nahen Osten in eine Zone zu verwandeln,
die frei ist von atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen.
Aus offensichtlichen Gründen hatte der Westen
diesen Vorschlag geflissentlich überhört. Welche Gefahren von
israelischen Atomwaffen ausgehen können, machte im April 2002 ein
Artikel von Gordon Thomas von der Internetpublikation Globe Intel deutlich.
Der Geheimdienstexperte berichtete, daß die Israelis auf einem Flugplatz
in Galiläa zwei Flugzeugstaffeln mit taktischen Atombomben bestückt
und in Alarmbereitschaft versetzt hätten, weil sie fürchteten,
Syrien oder der Irak könnten in den Konflikt mit den Palästinensern
eingreifen. Außerdem sollen die Golanhöhen mit Neutronenbomben
aus der israelischen Atomwaffenfabrik Dimona befestigt worden sein.
Was den Irak betrifft, so betont der ehemalige
Waffeninspektor Scott Ritter: "Die Wahrheit ist, daß fast alle biologischen
Kampfstoffe des Iraks zusammen mit den Produktionsstätten zerstört
wurden. 1998 war der Irak bis zu 95 Prozent entwaffnet. Darunter befanden
sich alle Fabriken für Massenvernichtungswaffen." Dem pflichtet Ritters
ehemaliger Chef Rolf Ekeus bei. Auch er bezweifelt, daß die USA einen
Beweis für ihre diesbezüglichen Vorwürfe haben.
Und auch die von Bush gegen den internationalen
Terrorismus ins Feld geführte ‚Achse des Bösen' hält näherer
Überprüfung nicht stand: Sogar in der Washington Post war am
10. September 2002 zu lesen: "Die CIA muß erst noch überzeugende
Beweise für eine Verbindung des Irak zum Terrorismus finden, obwohl
die Anstrengungen verdoppelt worden sind, nachrichtendienstliches Material
über den Irak zu sammeln und auszuwerten."
Die wahren Kriegstreiber
Ein ‚vorsorglicher Präventivschlag' der USA
gegen den Irak wäre in jedem Fall ein Verstoß gegen die UNO-Bestimmungen
- selbst wenn der UN-Sicherheitsrat die USA dazu ermächtigen sollte.
Denn in Artikel 51 steht ausdrücklich, daß eine Nation nur dann
einen Erstschlag ausführen darf, wenn sie nachweislich militärisch
angegriffen wird. Das aber hat der Irak bis heute nicht getan.
Phyllis Bennis vom amerikanischen Institute for
Policy Studies sagte denn auch Ende August 2002: "Wenn wir sind, was wir
zu sein vorgeben - nämlich ein Rechtsstaat -, dann können wir
nicht selber wie ein Schurkenstaat handeln. Wenn wir Internationales Recht
nicht anerkennen, wie können wir dann erwarten, daß es andere
Nationen tun?" Und Scott Ritter doppelte nach: "Wir haben es in den USA
zugelassen, daß eine kleine Clique die Politik der Nationalen Sicherheit
fremdbestimmt, um ihre eigenen, ideologisch genährten, politischen
Ziele durchzusetzen. Das ist kein Kriegsgrund."
Das sehen George Bush, Dick Cheney und ihre Mitstreiter
ganz anders. Diese neokonservativen Falken teilen die gemeinsame Ansicht,
"daß nämlich Amerika unerschrocken seine militärische Macht
einsetzen soll - und zwar frühzeitig und häufig -, um seine Interessen
und Werte voranzutreiben.", So stand es im Juni 2002 in The Washington
Monthly. Diese blutdürstigen Falken finden sich übrigens nicht
unbedingt unter den altgedienten Militärs, sondern sind typische Lehnstuhl-Kriegsherren,
die häufig nie persönlich Militärdienst geleistet haben.
Gerade die hochrangigen US-Militärs sind nämlich gegen einen
Krieg mit dem Irak, weil sie einen aufwendigen (man spricht von 200'000
US-Soldaten) und verlustreichen Feldzug befürchten, der die arabische
Welt endgültig gegen die USA aufbringen könnte. Sie glauben grundsätzlich,
"daß amerikanische Truppen selten und nur im äußersten
Notfall eingesetzt werden sollten - und immer in Abstimmung mit anderen
Staaten" (The Washington Monthly).
Die Washington Post verkündete am 24. Mai
2002: "Der Generalstab hat hinter den Kulissen eine entschlossene Kampagne
geführt, um die Bush-Administration dazu zu bringen, ihre aggressive
Haltung gegenüber dem Irak erneut zu überdenken."
General Norman Schwarzkopf, der den ersten Golfkrieg
befehligte, ist ebenso gegen einen erneuten Krieg mit dem Irak, wie US-Außenminister
Colin Powell, der ehemalige Generalstabschef der US-Streitkräfte.
Powells Haltung wurde vor allem von der Israellobby heftig kritisiert.
Denn die Kriegstreiber hinter Bush, Cheney und Rumsfeld gehören fast
ausnahmslos der Israellobby an. Angeführt werden sie vom stellvertretenden
Verteidigungsminister Paul Wolfowitz und seinem langjährigen Mitstreiter
Richard Perle, dem Vorsitzenden des Beratungsausschusses für Verteidigungspolitik
im Pentagon. Sogar The Washington Monthly mußte in besagtem Artikel
zugeben, daß die meisten dieser säbelrasselnden Politiker "leidenschaftlich
pro-israelisch und pro-Likud eingestellt sind". Der Likud ist natürlich
die rechts-konservative Partei des israelischen Ministerpräsidenten
Ariel Scharon.
Es ist fraglich, ob das amerikanische Volk auf
die Stimme der Vernunft hören wird. Menschen wie Ron Paul werden wohl
die einsamen Rufer in der Wüste bleiben. Der republikanische Abgeordnete
des Repräsentantenhauses schrieb am 23. September 2002 in einer Kolumne:
"Krieg ist die Gesundheit des Staates. So sagt es das Sprichwort.
Krieg beginnt in jedem Fall damit, daß der
Staat mehr Macht erhält. Diese zusätzliche Machtfülle führt
immer zu einem Verlust von Freiheit. Viele der schlimmsten Regierungsprogramme
des 20. Jahrhunderts wurden in Kriegszeiten als 'Notstand' eingeführt
und danach nie mehr abgeschafft. Krieg und übermächtige Regierungen
gehen Hand in Hand. Wir aber sollten für Frieden und Freiheit kämpfen."
http://www.zeitenschrift.com/news/irakkrise.ihtml
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