Zahlen-Tricks bei Eurostat 

Das EU-Statistikamt sieht sich schweren Vorwürfen gegenüber 

Das EU-Statistikamt Eurostat galt bisher als unbestechliche Hüterin über Europas Zahlenwelt. Doch nun ist ein Schatten auf die Luxemburger Behörde gefallen. Die Chefstatistiker haben sich verheddert in undurchsichtigen Aufträgen an Subunternehmer. Von Vetternwirtschaft ist die Rede, aber auch von Schlampereien und falschen Statistiken. Gleich mehrere Verdachtsfällen untersucht jetzt die EU-Anti- Betrugsbehörde OLAF. Der deutsche Direktor Franz-Hermann Brüner ist entsetzt über die Zustände bei Eurostat. Wegen überhöhter Abrechnungen von Verträgen könne ein erheblicher Schaden zu Lasten Europas entstanden sein, heißt es bei OLAF. 

Die Vorwürfe reichen bis in die höchsten Führungsebenen von Eurostat. An der Spitze von Eurostat steht der Franzose Yves Franchet. Die EU- Betrugsbekämpfer gehen nun Vorwürfen nach, dass Aufträge an drei Luxemburger Firmen vergeben vergeben wurden, in deren Verwaltungsräten auch Familienangehörige oder Bekannte von leitenden Eurostat-Mitarbeitern vertreten seien. Eine Gesellschaft soll von Eurostat einen Auftrag in Höhe von annähernd zwei Millionen Euro erhalten haben – ohne öffentliche Ausschreibung. 

Das alles erinnert in fataler Weise an die Zeiten der früheren Santer-Kommission. Damals gehörte es zum guten Ton in Brüssel, Freunde mit lukrativen Jobs zu versorgen. Die Frage stellt sich nun freilich, ob es EU- Kommissionspräsident ernst meint, diese Praxis zu stoppen. So ist es nicht zuletzt Prodi, der immer wieder das Prinzip der „Null Toleranz“ predigt. 

Ohne Eurostat läuft in der EU nichts. Zwar arbeitet das Amt weitgehend im Hintergrund. Doch die Zahlen, welche die Statistiker zum Wirtschaftswachstum, zum öffentlichen Defizit und zur Beschäftigungslage in der EU liefern, entscheiden mit über wichtige politische Weichenstellungen der Kommission oder des Ministerrats, etwa als es Anfang Februar um den „Blauen Brief“ an Deutschland ging. Auch die Vergabe der milliardenschweren EU–Strukturfonds zur Unterstützung armer Regionen hängen von Luxemburger Zahlen ab. Denn die Förderung richtet sich nach dem Sozialprodukt pro Kopf – und diese Daten müssen von Lappland bis Sizilien vergleichbar sein. 

In einem internen Prüfbericht von Eurostat werden Unregelmäßigkeiten bei der Luxemburger Firma Eurogramme unter die Lupe genommen. Sie lieferte Daten für die EU-Statistik Prodcom zur Erfassung von wichtigen Industriekennziffern aus den EU-Staaten. Die „finanziellen und operationellen Ressourcen“ von Eurogramme seien bei der Auftragsvergabe nicht ausreichend geprüft worden, heißt es in dem Bericht. Nach Ansicht der Gutachter habe die abgelieferte Arbeit einen Wert von 120000 Euro gehabt. Eurostat zahlte dem Subunternehmer aber offenbar eine weit höhere Summe. Noch ist nicht geklärt, ob die Schlampereien bei der Auftragsvergabe auch zu unkorrekten Daten geführt haben. Die OLAF-Leute wollen ihre Ermittlungen bis Sommer abschließen. 

Französischen Presseberichten zufolge unterlaufen den Statistikern immer wieder Fehler. „Bei den Berechnungen von Eurostat wurde ein enormer Schnitzer gemacht“ wird Eric Heyer vom Pariser Wirtschaftsinstitut OFCE zitiert. Zur Erfassung des Wohlstandsniveaus in den EU-Staaten seien Daten über die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung zusammengetragen worden. Diese seien anschließend in Kaufkraft-Standards (KKS) unter Berücksichtigung der Inflation umgerechnet worden. Weil die Teuerung im Bausektor aber mit 47 Prozent für 1997 viel zu hoch angesetzt wurde, landete Frankreich auf dem zwölften Platz in der EU-Wohlstandsskala. Richtigerweise gebührt Frankreich der siebte Platz. 
 

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